Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

252 8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 
sind in Geltung geblieben !), jedoch ist ein Gesetzentwurf über die Er- 
richtung eines Verwaltungsgerichtshofes in Vorbereitung. 
6. Der Rechnungshof des Deutschen Reiches ist von Jahr zu 
Jahr durch besondere Reichsgesetze mit der Rechnungsprüfung und 
Finanzkontrolle des Landeshaushalts betraut worden. Durch das 
Reichskontrollgesetz vom 21. März 1910 (Reichsgesetzbl. S. 521) $1 
ist diese Zuständigkeit bis zum Rechnungsjahr 1914 erstreckt worden. 
Nach Ablauf dieser Frist steht es dem Reichsland frei, im Wege der 
Landesgesetzgebung einen besonderen Rechnungshof zu errichten und 
die Grundsätze der Rechnungskontrolle festzusetzen. 
7. Der Landtag ist an die Stelle des bisherigen Landesaus- 
schusses getreten; er besteht aus zwei Kammern. Hinsichtlich der 
Bildung derselben besteht ein bemerkenswerter Unterschied. Die für 
die erste Kammer geltenden Regeln sind in das Verfassungsgesetz auf- 
genommen worden, können also nach Art. IllI des Gesetzes vom 
31. Mai 1911 nur durch Reichsgesetz abgeändert werden; dagegen sind 
die Vorschriften über die Wahlen zur zweiten Kammer in einem be- 
sonderen Gesetz vom gleichen Tage enthalten, welchem diese Bestands- 
garantie fehlt. Obgleich es vom Bundesrat und Reichstage beschlossen 
worden und ein wichtiger Bestandteil der Verfassung des Reichslandes 
ist, welche wie oben S. 232 fg. ausgeführt worden ist, nach der überein- 
stimmenden Ansicht der an der Reichsgesetzgebung beteiligten Fak- 
toren eine Reichsangelegenheit ist und zum Bereich der Reichsgesetz- 
gebung gehört, kann dieses Gesetz im Wege der Landes gesetzgebung 
abgeändert und aufgehoben werden. Ein staatsrechtlicher Grund zu 
einer so verschiedenen Behandlung der beiden Kammern ist nicht 
erfindlich; auch praktische Erwägungen können dafür schwerlich 
geltend gemacht werden ?). Voraussichtlich wird es an Versuchen zur 
Abänderung der Wahlkreiseinteilung und gewisser Bestimmungen des 
Wahlgesetzes nicht fehlen. 
a Die Zusammensetzung der ersten Kammer’). 
Die erste Kammer besteht aus Mitgliedern, welche drei verschiedenen 
Kategorien angehören. Die erste Gruppe besteht aus denjenigen Per- 
sonen, welche kraft ihres Amtes Mitglieder sind, nämlich die 
Bischöfe zu Straßburg und Metz‘), der Präsident des Oberkonsistoriums 
der Kirche Augsburgischer Konfession, der Präsident des Synodalvor- 
1) Ausgenommen allein 8 7 der Verordn. v. 22. April 1902, welcher Einsprüche 
gegen Wahlen der Bezirkstage zum Landesausschuß betraf. 
2) Auch die Motive geben keinen Grund an, sondern beschränken sich auf die 
nichtssagende Bemerkung S. 15 „da das Wahlgesetz als ein im Wege der Reichsge- 
setzgebung erlassenes Landgesetz anzusehen ist (warum ?), kann es nach den zu 85 
des Entw. ausgeführten Grundsätzen durch Landesgesetz abgeändert oder aufgehoben 
werden“. 
3) Verf.-Ges. $ 6. 
4) Während der Sedisvakanz eines der Bistümer tritt sein ältester Bistumsver- 
weser an die Stelle des Bischofs.
	        
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