272 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
tannien und auf dem außerhalb der berechtigten Interessensphäre
der Niederlande und Englands liegenden Teile der Nordküste von
Neu-Guinea überall, wo deutsche Niederlassungen bereits bestehen
oder in Ausführung begriffen sind, alsbald die deutsche Flagge zu
hissen. Die von seiten Englands und der australischen Kolonial-
regierung erhobenen Schwierigkeiten wurden im Wege diplomatischer
Verhandlungen in der Art erledigt, daß das britische Protektorat auf
die südliche Küste von Neu-Guinea mit Einschluß der vorliegen-
den Inseln beschränkt wurde !. Durch telegraphische Berichte des
Kommandanten des deutschen Kriegsschiffes »Elisabeth« und des kai-
serlichen Kommissars in Neu-Britannien vom 17. Dezember 1884 wurde
gemeldet, daß die deutsche Flagge an mehreren Punkten der Nord-
küste von Neu-Guinea und auf den Inseln des Neu-Britannia-Archipels
gehißt worden ist?). Die Errichtung des deutschen Protektorats wurde
den an der Kongoakte beteiligten Staaten notifiziert °).
Zwischen diesen Gebieten und den afrikanischen Schutzgebieten
besteht ein sehr erheblicher Unterschied. In den letzteren gibt es eine
einheimische Staatsgewalt; es konnten Protektions- und Länder-
erwerbsverträge über zusammenhängende Distrikte mit Häuptlingen
(Königen, Sultanen) abgeschlossen werden; es konnte eine Abgrenzung
zwischen den von diesen und den vom Reich auszuübenden Hoheits-
rechten festgestellt werden. In den Südseeländern dagegen ist die Bevöl-
kerung wild, ohne staatliche Organisation, unfähig zur Begründung
von Rechtsverhältnissen im Sinne der Kulturvölker *). Diese Länder
und Völker waren im Sinne des Völkerrechts herrenlos ’); der Rechts-
titel für die Schutzherrschaft des Deutschen Reichs ist die völkerrecht-
liche Okkupation, ohne daß Verträge mit einheimischen Häupt-
lingen abgeschlossen werden konnten, da es solche, die dazu befähigt
gewesen wären, nicht gab.
Zur Ausübung der dem Deutschen Reich zustehenden Rechte hat
sich eine Gesellschaft unter dem Namen »Neu-Guinea-Kom-
pagnie« gebildet. Dieselbe hat ihr Domizil in Berlin und hat sich
nach den Vorschriften des preußischen allgemeinen Landrechts kon-
stituiert; sie hat außer den wirtschaftlichen Zwecken des Handels und
Plantagenbaues die Aufgabe: »die zur Förderung des Handels und
der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Grund und Bodens, sowie
zur Herstellung und Befestigung eines friedlichen Verkehrs mit den
Eingeborenen und deren Zivilisierung dienlichen staatlichen Ein-
1) Großbritannische Note vom 9. Oktober 1884; Weißbuch I, Nr. 31, S. 153.
Bericht vom 18. November 1884; ebenda Nr. 35, S. 156.
2) Weißbuch II, Nr. 86, S. 158; Deutsche KolonialpolitikIlJ, S. 123.
3) Erlaß des Reichskanzlers vom 23. Dezember 1884; WeißbuchlIl, Nr. 37;
Deutsche Kolonialpolitik I, S. 112.
4) Vgl. Deutsche Kolonialpolitik DH, S. 81, 86 ff.
5) Vgl. Promemoria des deutschen Ausw. Amtes vom 1. Aug. 1884; Deutsche
Kolonialpolitik I], S. 101.