Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 279 
des Verhältnisses durch Vertrag ist nicht dafür entscheidend, wel- 
cher von beiden Kategorien das Verhältnis angehört, denn auch durch 
Vertrag können Gewaltverhältnisse begründet werden, wie die Ver- 
träge des Familienrechts, die vertragsmäßige Begebung in Vassalität 
und Ministerialität, die Naturalisation und der Staatsdienstvertrag be- 
weisen, und wie dies insbesondere aus der vertragsmäßigen Errich- 
tung des Bundesstaates erhellt. (Siehe Bd. 1, S. 18ff.) Maßgebend ist 
nur die Art des begründeten Verhältnisses. In dieser Beziehung ist 
es nun ebenfalls zweifellos und unbestritten, daß das Recht des Rei- 
ches an den Schutzgebieten den Charakter des Herrschaftsrechts, also 
der Staatsgewalt, hat. In allen mit den Häuptlingen Afrikas 
abgeschlossenen Verträgen sind dem Reich (oder den Reichsangehö- 
rigen, deren Rechte vom Reich übernommen worden sind) Hoheits- 
rechte eingeräumt worden, teils ganz generell, teils unter Hervorhe- 
bung einzelner Anwendungen, insbesondere der Gerichtsbarkeit, und 
in den drei Schutzbriefen, welche die Kolonialgesellschaften erhalten 
haben, ist ihnen die Ausübung der »Landeshoheit«, »landeshoheit- 
licher Befugnisse«, »der Herrschaft« übertragen worden unter der 
»Oberhoheit« des Reichs. Das Reich übt auch tatsächlich in allen 
Schutzgebieten eine staatliche Herrschaft in den Formen der Gesetz- 
gebung, Verwaltung und Rechtspflege aus und erstreckt dieselbe auf 
die Rechtsordnung, Wohlfahrtspflege und den Schutz des Gebietes 
gegen andere Mächte. 
3. Steht es hiernach fest, daß die Schutzgewalt eine Staatsge- 
walt ist, so entsteht die weitere Frage nach der rechtlichen Qualifi- 
kation derselben. In dieser Hinsicht ist von juristischer Erheb- 
lichkeit die oben erörterte Einteilung in souveräne und nicht sou- 
veräne Staatsherrschaft. Ob die Staatsgewalt die Eigenschaft der Sou- 
veränität hat oder nicht, hängt nicht von der Fülle der staatlichen 
Aufgaben, von der tatsächlichen Entfaltung der Hoheitsrechte, von 
dem positiven Inhalt der obrigkeitlichen Befugnisse, sondern lediglich 
von dem Umstande ab, ob die Staatsgewalt einer höheren Gewalt recht- 
lich untergeordnet oder ob sie selbst die höchste, oberste Gewalt ist. 
Vgl. Bd. 1, S. 72fg. Auch eine unentwickelte oder verkümmerte 
Staatsgewalt kann die Eigenschaft der Souveränität haben. Da das 
Deutsche Reich ein souveränes Staatswesen ist, so folgt schon daraus, 
daß auch die ihm zustehende Gewalt in den Schutzgebieten die Eigen- 
in adjecto sei; denn man entwickelt aus dem Begriff nur, was man vorher hineinge- 
legt hat. Protektorat bedeutet aber seinem Wortsinn nach ganz dasselbe wieSchutz- 
verhältnis, und daß dieser Ausdruck, sowie die Bezeichnungen „Schutzgebiet, 
Schutzgewalt, Schutzherrschaft“ usw. von dem Verhältnis des Reichs zu seinen außer- 
europäischen Erwerbungen in der deutschen Gesetzgebung, in offiziellen Aktenstücken 
und in der Literatur gebraucht wird, kann doch nicht bestritten werden. Wozu also 
die Wortklauberei? Auch Zorn], S. 579, Note 27 erklärt den Streit um das Wort 
Protektorat für „ganz gegenstandslos“. Dies trifft auch zu auf die Erörterungen von 
v. Poser S. 16 fg.
	        
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