8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 303
Entscheidungen der Häuptlinge und in erster Instanz für diejenigen
Zivil- und Strafprozesse, welche nicht zur Zuständigkeit der Häuptlinge
gehören, ausgenommen Beschuldigungen wegen Mordes und Totschlages.
Gegen die Entscheidungen des Schiedsgerichts ist Berufung an den
Gouverneur oder dessen Stellvertreter zulässig.
5. In Neu-Guinea ist durch die kaiserliche Verordnung vom
7. Juli 1888 die Ausübung der Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen
der Neu-Guinea-Kompagnie übertragen und der Reichskanzler er-
mächtigt worden, die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen
Vorschriften zu treffen !,. Nachdem die Landeshoheit über das Schutz-
gebiet vom Reich übernommen worden, sind diese Befugnisse auf den
Gouverneur übergegangen?). Die von der Direktion der Neu-Guinea-
Kompagnie am 21. Oktober 1888 mit Genehmigung des Reichskanzlers
erlassene Kriminalordnung ist aber in Geltung geblieben. Die Gerichte
sind besetzt mit einem vom Gouverneur ernannten Gerichtsvorsteher
(bezw. Stellvertreter) und einem Gerichisschreiber. Bei Prozessen wegen
schwerer Verbrechen haben zwei Beisitzer mitzuwirken, welche aus
den Beamten oder achtbaren Weißen des Bezirks vom Gerichsvor-
steher ernannt werden’). Eine Beteiligung von Eingeborenen findet
nicht statt.
6. Für die Marschall- etc. Inseln hat der Reichskanzler auf
Grund einer ihm vom Kaiser erteilten Ermächtigung‘) am 10. März
1890 Bestimmungen erlassen, welche mit den für Neu-Guinea erlassenen
vollständig übereinstimmen °).
7. In Kiautschou ist die Gerichtsbarkeit über die Chinesen
neugeregelt worden durch die Verordnung vom 15. April 1899 ®).
X. Die Militärverfassung der Schutzgebiete‘).
Zuerst ist eine Schutztruppe für Ostafrika zur Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere zur Bekämpfung
des Sklavenhandels durch das Reichsgesetz vom 22. März 1891 (Reichs-
gesetzbl. S. 53) errichtet worden. Sie wurde gebildet aus Offizieren,
Ingenieuren des Soldatenstandes, Sanitätsoffizieren, Beamten und Unter-
offizieren des Reichsheeres und der kaiserlichen Marine, welche auf
Grund freiwilliger Meldung der Schutztruppe zugeteilt wurden, und
aus angeworbenen Farbigen ($ 2 des Gesetzes) ®). Durch das Reichs-
1) Riebow S. 532.
2) Verordnung des Reichskanzlers vom 1. April 1899, S 2, Abs. 1. Zimmermann
IV, S. 91. 3) Vgl. v. Stengel, Deutsche Juristenzeitung 1898, S. 85.
4) Verordnung vom 26. Februar 18%. Riebow S. 624.
5) Abgedruckt bei Riebow S. 627 ff. Ueber die Gerichte enthalten die $$ 18 ff.
Anordnungen.
6) Marineverordnungsbl. 1899. Anhang zu Nr. 25, S. XXV.
7) Vgl. jetzt die ausführliche Darstellung von Sassen, Deutsches Kolonial-
Militärrecht. Rastatt 1911.
8) Verordnung vom 26. Juli 1896 (Reichsgesetzbl. S. 669) und die Verordnung
vom gleichen Tage über das strafgerichtliche Verfahren gegen Militärpersonen der