308 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
des Schutzgebiets einen Dritten beschädigt hat !).
4. Das Gesetz vom 30. Mai 1892 bestimmt im 84, daß Anleihen
oder Garantien zur Befriedigung außerordentlicher Bedürfnisse
eines Schutzgebietes im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen; es ent-
hält aber keine Regeln über die Aufnahme, Verwaltung und Tilgung
der Anleihe. Diese Lücke ist ausgefüllt worden durch das Reichs-
gesetz vom 18. Mai 1908 (RGBl. S. 207) 2). Mit Ausnahme von
Togo reichen die Einnahmen der Schutzgebiete bei weitem nicht aus
zur Deckung der Ausgaben, welche als notwendig oder nützlich aner-
kannt werden. Zur Deckung dieses Defizits können drei verschiedene
Wege eingeschlagen werden. Zunächst die Gewährung eines Zuschusses
aus Reichsmitteln. Dies ist seit der Erwerbung der Schutzgebiete bis
zur Gegenwart in sehr sroßem Maße geschehen. Der Reichszuschuß
erscheint im Reichsetat als Ausgabe, im Schutzgebietsetat als Ein-
nahme; auf seine Bewilligung usw. finden die Grundsätze des Etats-
rechts Anwendung; finanzielle (privatrechtliche) Verhältnisse zwischen
dem Reich und dem Schutzgebiet entstehen dadurch nicht.
Der zweite Weg ist die Gewährung eines Darlehns seitens des Reichs
an das Schutzgebiet; ein solches wurde zuerst 1894 dem Schutzgebiet
Togo gewährt. Daß auch ein solches Darlehn im Reichsetat als Ausgabe
und im Schutzgebiet als Einnahme aufgeführt werden muß, ist selbst-
verständlich. Hier ist das Rechtsverhältnis aber nicht so einfach wie in
dem Fall eines Zuschusses, der privatrechtlich die Wirkung einer
Schenkung, eines Liberalitätsakts, des Reichsfiskus an den Schutzge-
bietsfiskus hat. Das Reich soll das Darlehn nicht aus den eigenen
laufenden Einnahmen gewähren, sondern der Reichskanzler wird durch
8 4a, Abs. 2 ermächtigt, »die dazu erforderlichen Mittel im Wege des
Kredits flüssig zu machen«, d. h. eine Reichsanleihe aufzunehmen,
auf welche die Vorschriften des Art. 73 der Reichsverfassung und
der Reichsschuldenordnung Anwendung finden. Hier entstehen zwei,
rechtlich getrennte Verhältnisse. Das Reich haftet den Besitzern der
Anleiheobligationen ganz ebenso wie aus anderen Reichsanleihen un-
mittelbar und ausschließlich; die Anleihegläubiger stehen mit dem
Schutzgebiet, welches das Geld erhält, in keiner Rechtsbeziehung. Da-
gegen besteht ein zweites selbständiges Rechtsverhältnis zwischen dem
Reich und dem Schutzgebiet, welches auf der Hingabe oder Verwen-
dung der dargeliehenen Geldbeträge beruht. Die Bedingungen der
Verzinsung und Rückzahlung sind im Gesetz geregelt. Der Zins be-
trägt 3'/; Prozent, soweit darüber nicht eine andere gesetzliche Be-
stimmung getroffen wird (8 4b), die Zurückzahlung beginnt vom 6.
Jahre ab in Annuitäten von mindestens ?/;s Prozent und mit der Be-
1) RG. vom 22. Mai 1910, 8 4 (Reichsgesetzbl. S. 799). Siehe Bd. 1, S. 479 fg.
2) Vgl. meine Ausführungen im. Jahrb. für öffentl. Recht 1909, S. 418fg. Das
Gesetz hat die Form einer Novelle zum Ges. vom 80. Mai 1892; seine Bestimmungen
sind als $S$S 4a bis 4g beziffert.