98 & 73. Das Post- und Telegraphenwesen.
Die Fernsprechgebühren sind durch das Reichsgesetz vom 20. De-
zember 1899 (Reichsgesetzbl. S. 711) festgesetzt !).
2. Mit der Verpflichtung des Absenders zur Zahlung des Portos
und anderer Gebühren ist nicht zu verwechseln der Frankierungs-
zwang. Es ist im allgemeinen gestattet, der Postverwaltung die Ein-
ziehung der Gebühren vom Adressaten zu übertragen ?). In diesem
Falle erteilt der Absender der Postverwaltung den Auftrag, den Ge-
bührenbetrag beim Adressaten zu erheben und mit der erhobenen
Summe sich für ihre Forderung gegen den Absender bezahlt zu machen.
Es wird daher — wie dies beim Frachtvertrag zu geschehen pflegt —
mit dem eigentlichen Transportvertrag ein Nebenvertrag ver-
bunden, der in allen wesentlichen Stücken der Anweisung (Assignation)
entspricht. Er braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, da sich
sowohl die in Betracht kommenden Personen als der Inhalt aus den
konkreten Umständen des Falles mit vollkommener Gewißheit er-
geben °). Der Abschluß dieses Nebenvertrages vollzieht sich durch das
Aufgeben der unfrankierten Postsendung und die Annahme derselben
seitens der Postanstalt ?).
Die Post ist zum Abschluß eines derartig modifizierten Transport-
vertrages mit jedermann hinsichtlich der Briefe und Pakete, mit und
ohne Wertangabe, gesetzlich verpflichtet, da die Posttaxge-
setze das für unfrankierte Briefe und Pakete zu entrichtende Porto
bestimmen). Für jede unfrankierte oder ungenügend frankierte Sen-
dung wird ein sogenanntes Zuschlagsporto von 10 Pfennigen erhoben;
ausgenommen sind allein portopflichtige Dienstbriefe, wenn die
Eigenschaften derselben als Dienstsache auf dem Umschlage vor der
Postaufgabe erkennbar gemacht worden ist ®).
Soweit der Postverwaltung aber die Befugnis eingeräumt worden
ist, für gewisse Gegenstände oder Beförderungsarten die Bedingungen
des Vertrages durch Reglement zu normieren, ist sie in der Lage, die
Vorausbezahlung der Gebühren zu verlangen, d. h. den Frankierungs-
zwang einzuführen. Die Postverwaltung hat hiervon Gebrauch ge-
1) Ausführungsbestimmungen dazu vom 26. März 1900. Zentralbl. S. 242 ff.
2) Vgl. auch Postordnung $ 50, 1.
3) Der Absender ist Assignant, der Adressat Assignat, die Postverwaltung Assig-
natar; der angewiesene Betrag bestimmt sich nach dem Portotarif; die Zahlungszeit
nach dem Zeitpunkt der Ablieferung.
4) Ist die Sendung unzureichend frankiert, so beschränkt sich die ange-
wiesene Summe auf den Ergänzungsbetrag.
5) Posttaxgesetz vom 28. Oktober 1871, 8 1, Abs. 2. Gesetz vom 17. Mai 1873,
S 1 u.2. Gesetz vom 20. Dezember 1899, Art. 1, Ziff. 1. Weltpostvereinsvertrag
Art. 5, Abs. 4.
6) Posttaxgesetz 8 1, Abs. 3. Gesetz vom 17. Mai 1873, 8 3, und vom 20. De-
zember 1899 a. a. 0.