8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 103
Die Entscheidung erfolgt von der Oberpostdirektion '). Findet die-
selbe die Verhängung einer Strafe nicht begründet, so wird die Zu-
rücklegung der Akten verfügt und der Angeschuldigte davon benach-
richtigt; wird auf eine Strafe erkannt, so müssen die Entscheidungs-
gründe beigefügt sein, und der Angeschuldigte ist zugleich über die ihm
zustehenden Rechtsmittel sowie über die Bestrafung, welche er im
Rückfalle zu erwarten hat, zu belehren. Die Zustellung erfolgt ent-
weder zu Protokoll oder in der für Vorladungen vorgeschriebenen
Form.
Bis zum Erlaß des Strafbescheides kann die Oberpostdirektion die
Sache zum gerichtlichen Verfahren verweisen’. Ebenso kann
der Angeschuldigte während der Untersuchung und binnen 10 Tagen
präklusivischer Frist nach Eröffnung des Strafbescheides auf recht-
liches Grehör antragen ?). Der Antrag ist an die Postbehörde zu richten.
Dem ausdrücklichen Antrage steht es gleich, wenn der Angeschuldigte
auf die Vorladung der Postbehörde nicht erscheint oder die Auslas-
sung vor derselben verweigert. Wird gegen einen erlassenen Straf-
bescheid die Berufung auf rechtliches Gehör rechtzeitig angemeldet,
so ist der Strafbescheid als nicht ergangen anzusehen.
3. Rekursresolut?°) Der Angeschuldigte hat binnen 10 Tagen
präklusivischer Frist nach Eröffnung des Strafbescheides die Wahl,
entweder auf richterliches Gehör anzutragen oder an die der Ober-
postdirektion vorgesetzte Behörde den Rekurs zu ergreifen ®). Der
Rekurs ist durch Anmeldung bei jeder beliebigen inländischen Post-
behörde gewahrt. Er schließt fernerhin jedes gerichtliche Verfahren
aus. Für die Rechtfertigung des Rekurses ist eine Frist von höchstens
vier Wochen zu gewähren; sie ist in dem anzusetzenden Termin zu
Protokoll zu erklären oder bis dahin schriftlich einzureichen. Führt
der Angeschuldigte neue Tatsachen oder Beweismittel an, deren Auf-
nahme erheblich befunden wird, so wird mit der Instruktion nach den
1) Nach einer Verfügung des Generalpostamts hat in der Regel diejenige Ober-
postdirektion die Entscheidung zu treffen, in deren Bezirk die Defraudation ver-
übt worden ist. Dambach S. 225fg. Vgl. Meves S. 387.
2) Es muß dies namentlich dann geschehen, wenn sich die Vereidigung von
Zeugen als erforderlich erweist oder weitläufige Ermittlungen notwendig sind.
3) Für das gerichtliche Verfahren kommen die Vorschriften der Strafprozeß-
ordnung $& 460-469 zur Anwendung. Dagegen ist die zehntägige Frist des Post-
gesetzes durch die im 8 459 erwähnte Frist von einer Woche nicht aufgehoben. Ein-
führungsgesetz zur Strafprozeßordnung $ 5.
4) Wenn der Angeschuldigte, anstatt persönlich zu erscheinen, eine schriftliche
Erklärung einsendet, so braucht die Sache nicht an das Gericht abgegeben zu wer-
den. Dambach S. 227, Nr.3. Aschenborn S. 267, Anm. 6.
5) Postgesetz $ 42—44.
6) Ein Recht, die getroffene Wahl wieder zu verändern, steht dem Angeschul-
digten nicht zu; insbesondere ist in der Einlegung des Rekurses ein Verzicht auf
richterliches Gehör enthalten. Meves S. 392, 400. Stenglein S. 304. Aschen-
born S. 286, Anm. 8. Andere Ansicht Dambach S. 237, Nr. 3.