Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 74. Das Eisenbahnwesen. 119 
polizeireglements eingeführt werden.« Dieser Satz schließt sich un- 
mittelbar an Art. 42 an, und durch das Wort »demgemäß« wird in 
unzweideutiger Weise hervorgehoben, daß er eine Folgerung oder 
nähere Ausführung des im Art. 42 ausgesprochenen Grundprinzips ent- 
hält. Hierdurch gewinnt er eine unentbehrliche Ergänzung; es fehli 
ihm nämlich die Hauptsache, das Subjekt. »Es sollen« übereinstim- 
mende Betriebseinrichtungen usw. »getroffen werden«. Von wem? Vom 
Reich oder von den Einzelstaaten? Durch Reichsgesetz, durch Beschluß 
des Bundesrates oder durch Anordnung des Kaisers? Aus dem Zu- 
sammenhang mit dem Art. 42 ergibt sich, daß die »Bundesregierungen« 
als das Subjekt zu ergänzen sind; ihre Verpflichtung, die ihnen unter- 
stellten Eisenbahnen wie ein einheitliches Netz verwalten und nach 
einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen, sollen sie unter 
anderem dadurch erfüllen, daßsie übereinstimmende Betriebs- 
einrichtungen treffen und gleiche Bahnpolizeireglements einführen. 
Daß die Einrichtungen übereinstimmend und die Reglements gleich 
sein sollen, setzt eine Mehrheit von Anordnungen mit identischem 
Inhalt voraus; wenn bei der Abfassung des Art. 435 der Gedanke vor- 
geschwebt hätte, daß das Reich für das ganze Reichsgebiet (exkl. 
Bayern) die Betriebseinrichtungen und das Polizeireglement erlassen 
soll, so wäre es sinnlos gewesen, anzuordnen, daß die Einrichtungen 
übereinstimmend und die Reglements gleich sein sollen !). 
Der formelle Erlaß dieser Anordnungen gehört demnach nicht 
zur Zuständigkeit des Reiches, sondern zu derjenigen der Einzelstaaten. 
Auf welchem Wege ist aber die Uebereinstimmung der Einzelstaaten 
über einen gleichartigen oder identischen Inhalt zu erzielen? Hier- 
über gibt der Art. 43 ebensowenig eine bestimmte Auskunft wie Art. 42 
und es bleibt nur die bis zum Erlaß eines Reichseisenbahngesetzes 
übrigens ebenfalls anfechtbare und zweifelhafte Zuflucht zu Art. 7, 
1) Die Ausdrücke „Bahnpolizeireglement“ und „Betriebsreglement“, deren sich 
die Reichsverf. Art. 43 u. 45 bedient, sind nur zu verstehen aus einem sonderbaren 
Sprachgebrauch, welcher im deutschen Eisenbahnwesen zur Zeit der Abfassung der 
Nordd. Bundesverfassung und der Reichsverfassung bestanden hat. Das sogenannte 
Bahnpolizeireglement betraf vorzugsweise Vorschriften über Ausrüstung, Unterhaltung, 
Bewachung und Betrieb der Bahn, das sogenannte Betriebsreglement vorzugsweise 
Transportbedingungen und Tarife; beide aber griffen auch in das Gebiet der Polizei 
ein, und zwar sowohl in Ausübung der Landespolizei (sogenannte Eisenbahnhoheit) 
gegen den Betriebsunternehmer, als auch in Ausübung der Bahnpolizei gegen das 
Publikum durch den Betriebsunternehmer und seine Beamten, und beide Reglements 
hatten einen bunt zusammengewürfelten und sehr verschiedenartigen Inhalt. Die 
neueren Reglements haben in dieser Hinsicht eine bessere Ordnung geschaffen und 
die nicht zusammengehörigen Materien in mehreren Reglements voneinander geschie- 
den, wenngleich nicht vollständig. An die Stelle des ehemaligen Bahnpolizeireglements 
ist jetzt die Betriebsordnung, an die Stelle des ehemaligen Betriebsreglements die 
Verkehrsordnung getreten, und die Normen für Bau und Ausrüstung, die Signalvor- 
schriften u. a. sind in besonderen Regulativen zusammengefaßt worden. Dadurch 
haben diese Vorschriften an Uebersichtlichkeit viel gewonnen.
	        
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