Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 74. Das Eisenbahnwesen. 121 
Staatsrecht S. 309, erwähnt einen Beschluß des Reichstags vom 5. Mai 
1869 (Stenographische Berichte II, S. 882) den Bundeskanzler zu er- 
suchen, »bald tunlichst die in Art. 41—47 der Verfassung enthaltenen 
Bestimmungen durch Erlaß der erforderlichen reglementarischen Fest- 
setzungen und allgemeinen administrativen Anordnungen ins Leben 
treten zu lassen.« Er verwertet diesen Beschluß zum Beweise, daß der 
Reichstag selbst anerkannt habe, daß er bei Erlaß dieser Reglements 
nicht mitzuwirken habe und die Regelung im Verordnungswege (sei- 
tens des Reichs) geradezu geforderthabe; Arndt verschweigt aber 
die bereits mehrfach in der Literatur erwähnte Tatsache, daß der 
Reichstag im folgenden Jahre (21. April 1870) beschlossen hat, »den 
Bundeskanzler aufzufordern, dem Reichstag ein Gesetz über das 
Eisenbahnwesen zum Zweck der Einführung gleichmäßiger Grundsätze 
für die Konzessionierung, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, in- 
sonderheit auch behufs der Verwirklichung derin 
Art.41—-47 enthaltenen Bestimmungen vorzulegen!) Wenn- 
gleich nun aus diesen Gründen die verfassungsmäßige Zuständigkeit 
des Bundesrats zum Erlaß des Betriebs- und Bahnpolizeireglements 
verneint werden muß, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß sich 
die Bundesstaaten im Bundesrat über gleiche und übereinstimmende 
Maßregeln verständigen und solche vereinbaren und zwar auch über 
solche Gegenstände, deren Regelung nicht zur Zuständigkeit des Bun- 
desrats gehört. Vgl. Bd. I S. 254. Dies ist hinsichtlich der Eisenbahn- 
Reglements geschehen und daher hat die Fassung der Art. 42 und 43 
der RV. zu praktischen Mißständen nicht geführt, da sämtliche Bundes- 
staaten mit eigener Eisenbahnverwaltung die vom Bundesrat beschlos- 
senen Reglements zur Anwendung gebracht haben. Staatsrechtlich ist 
es aber nicht das gleiche, ob die Verbindlichkeit einer Anordnung auf 
einem Befehl des Bundesrats oder auf einer Vereinbarung der Bundes- 
staaten beruht; jener schafft einheitliche, diese übereinstimmende 
Regeln ?). 
androhungen, welche sich an das Publikum richten, ohne weiteres gültig sind 
oder von den zuständigen Landespolizeibehörden erlassen werden müssen. Die letz- 
tere Ansicht ergibt sich aus Wortlaut und Sinn des Art. 43 der Reichsverfassung als 
die richtige. 
1) Die weitere Bemerkung von Arndt, daß Art. 43 nicht vom Erlasse, sondern 
von der Einführung der Reglements spreche, ist eine Wortklauberei, der um so weni- 
ger Beachtung zu schenken ist, als Arndt selbst nicht angibt, wodurch sich das 
eine vom andern unterscheidet. 
2) Das Bahnpolizeireglement und die demselben beigefügte Signal- 
ordnung sind vom Bundesrat am 4. Januar 1875 beschlossen und im Zentralbl. 1875, 
S. 57 ff., 73ff. abgedruckt worden. Das Reichsoberhandelsgericht (Entscheid. Bd. 21, 
S. 61fg.) und ebenso der dritte Strafsenat des Reichsgerichts (Entscheid. in Straf- 
sachen Bd. 10, S. 326) haben — im Widerspruch mit den Entscheidungen beider Ge- 
richte über das Betriebsreglement — den Bundesrat für zuständig zum Erlaß des 
Bahnpolizeireglements erachtet, den in demselben enthaltenen Strafvorschriften g e- 
setzliche Kraft und Geltung beigelegt und nicht einmal daran Anstoß genommen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.