122 8 74. Das Eisenbahnwesen.
2. Der zweite im Art 45 enthaltene Satz lautet:
»Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahn-
verwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nötige Sicherheit
gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit
Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrsbedürfnis es
erheischt.«
Im Gegensatz zu dem vorhergehenden Passus zeichnet sich dieser
durch vollkommene Bestimmtheit sowohl hinsichtlich des Subjekts
als Objekts aus. Dem Reich ist die Kontrolle über den baulichen Zu-
stand der Bahnen und über das Betriebsmaterial derselben übertragen;
es hat also zunächst die Befugnis, sich jederzeit von dem Zustande der
Bahn zu überzeugen, durch Kommissare Besichtigungen und Aufnahmen
vornehmen zu lassen, die Einreichung von Berichten, Inventaren usw.
von den Verwaltungen zu verlangen, die Brauchbarkeit und Haltbarkeit
des zu Bauten, Fahrzeugen usw. verwendeten Materials zu prüfen, über-
haupt eine vollkommene und umfassende Revision der gesamten Eisen-
bahnanlage und Ausrüstung vorzunehmen. Der Gegensatz zwischen
dem ersten und dem zweiten Satze besteht also darin, daß den Betriebs-
einrichtungen das Betriebsmaterial und der Bahnkörper
gegenübergestellt werden. Die Betriebseinrichtungen betreffen die Tä-
tigkeit zum Zwecke des Betriebs, die Organisation der Verwaltung
daß dieses Reglement gar nicht verkündigt, sondern nur im Zentralblatt abgedruckt
worden war. Da aber trotz dieser Urteile nicht anzunehmen war, daß die verbind-
liche Kraft nicht verkündeter Strafvorschriften in der deutschen Rechtspflege
Anerkennung finden werde, so wurde das Bahnpolizeireglement in etwas abgeänderter
Fassung vom Bundesrat am 26. November 1885 nochmals beschlossen und im $ 74,
Abs. 2 angeordnet, „daß dasselbe durch das Reichsgesetzblatt und das Zentralblatt
für das Deutsche Reich sowieaußerdem vonden Bundesregierungen
publiziert wird“. Vgl. Reichsgesetzbl. 1885, S. 289. Aus dieser monströsen Häufung
von Verkündigungen ergibt sich, daß der Bundesrat selbst zweifelhaft war, ob der
Erlaß zur Zuständigkeit des Reiches oder zu der der Einzelstaaten gehöre, und daß er
es deshalb für geraten hielt, beiden sich gegenseitig ausschließenden Annahmen gleich-
zeitig Genüge zu tun. — Sodann trat an die Stelle des Bahnpolizeireglements die
„Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Deutschlands“ vom
5. Juli 1892 (Reichsgesetzbl. S. 691 ff.), welche im 8 74, Abs. 2 „die Veröffentlichung
durch das Reichsgesetzblatt* vorschreibt. Gleichzeitig ergingen „Bestimmungen über
die Befähigung von Eisenbahnbetriebsbeamten“, welche jetzt durch die Bestimmungen
vom 8. März 1906 (Reichsgesetzbl. S. 391) ersetzt sind, ferner eine neue Redaktion der
Signalordnung sowie eine Bahnordnung für die Nebeneisenbahnen. Reichsgesetzbl.
1892, S. 723, 733, 764. An die Stelle dieser Signalordnung ist jetzt die Signalordnung
vom 24. Juni 1907 (Reichsgesetzbl. S. 377) getreten. Endlich beschloß der Bundesrat
am 4. Nov. 1904 die „Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung“, welche im Reichsgesetz-
bl. S. 387 verkündigt worden ist. Die Verkündigung dieser Verordnungen im Reichs-
gesetzbl. deutet darauf hin, daß sie als Rechtsverordnungen gemeint sind; da aber
der Bundesrat alle diese Beschlüsse „auf Grund der Art. 42 und 43 der Reichsverf.“
gefaßt hat, so ist dadurch ihre Geltung für Bayern ausgeschlossen. In Bayern sind
jedoch übereinstimmende Verordnungen erlassen worden. — Die Verordnung von 1904
ist in einigen Punkten abgeändert worden durch die Verordnung vom 18. Nov. 1912
(Reichsgesetzbl. S. 555).