142 8 75. Das Bankwesen.
Anteilseigner sind von der persönlichen Haftung für die Verbindlich-
keiten der Reichsbank frei; sie haben einen Anspruch auf eine Divi-
dende aus dem sich ergebenden Reingewinn; sie sind befugt, an der
Verwaltung durch dieGeneralversammlung und den Zentralaus-
schuß sich zu beteiligen; sie erhalten bei der Auflösung des Vereins
das Vermögen desselben, wenigstens zu einem großen Teile. Die Reichs-
bank hat eine Firma, unter welcher sie Geschäfte schließen, selb-
ständig Rechte und Pflichten haben, vor Gericht klagen und verklagt
werden kann. Sie ist eine juristische Person, also ebensowenig wie die
Aktiengesellschaft eine Gesellschaft im Sinne des bürgerlichen Rechts:
sie ist eine Korporation. Alles, was für den Aktienverein wesentlich
ist, findet sich demnach bei der Reichsbank wieder und ihre durch
Gesetz und Statut bestimmte Verfassung hat dieselben Grundformen,
welche den Aktienvereinen mit Namensaktien eigentümlich sind. Dessen-
ungeachtet sind die Vorschriften des Handelsgesetzbuches auf die Organi-
sation der Reichsbank im allgemeinen unanwendbar und durch die
ausschließenden Bestimmungen des Bankgesetzes und des Statuts
der Reichsbank ersetzt, und zwar deshalb, weil das Reich sich bei der
Reichsbank eine Stellung zugewiesen hat, welche bei den nach den Vor-
schriften des Handelsgesetzbuches konstituierten Aktienvereinen unmög-
lich ist. Diese Beteiligung des Reiches begründet nach allen Richtungen
hin für die Reichsbank Abweichungen von dem gemeinen für Aktien-
vereine geltenden Rechte und macht die Reichsbank zu einer anomalen
Rechtsschöpfung, die zwar dem allgemeinen Begriff der Aktienvereine
sich unterordnet, die aber im ganzen Bereiche des Rechtes ihresgleichen
nicht hat!).
da die Pfänder als gesetzliche Notendeckung nicht zugelassen sind, so sind dazu
die eigenen Kapitalien der Bank zu verwenden. Begründung zum Gesetzentwurf
von 189, Ziff. I.
1) Ob man die Reichsbank als eine besondere, durch Spezialgesetz geregelte
Art der Aktiengesellschaft oder als ein der Aktiengesellschaft analoges oder ver-
wandtes Rechtsinstitut bezeichnet, ist nur Wortstreit, der darauf beruht, daß der Be-
griff der Aktiengesellschaft bald in dem engeren Sinne des Handelsgesetzbuchs, bald
in einem weiteren wissenschaftlichen Sinne genommen wird. Vgl. Koch
a. a. 0. S. 149fg.; Endemann, Handelsrecht $ 162, Note 14 (4. Aufl); Wagner,
Rechtslexikon S. 370; Zorn, II, S. 350, 865; Löning, Verwaltungsrecht S. 641; G.
Meyer-DochowS. 342. Warschauer in Conrads Jahrb. Bd. 27, S. 476. Auch
Hänel, S. 686fg., der die Reichsbank eine reichsunmittelbare Korporation nennt.
Rosin, Oeffentliche Genossenschaften (1886), S. 50fg., will die Reichsbank nicht der
Kategorie der Korporation, sondern derjenigen der Anstalt unterordnen und diese
Ausdrucksweise ist von vielen Schriftstellern adoptiert worden. Damit läßt sich aber
das Bestehen von Anteilen, die Generalversammlung und deren Zuständigkeit, die
Dividende u. dgl. schwerlich vereinigen. Nur kann man freilich das Wort „Anstalt“
in so weitem Sinne nehmen. daß auch Aktienvereine darunter fallen, ja selbst in-
dustrielle Unternehmungen einzelner Personen (Versicherungsanstalt, Verlagsanstalt,
Speiseanstalt usw.), und man kann daher jede Bank als „Kreditanstalt“ bezeichnen.
Noch weniger ist es mit den erwähnten Einrichtungen vereinbar, die Reichsbank als eine
„Stiftung“ zu bezeichnen, was Beutler auszuführen versucht hat; diese Ansicht hat