& 75. Das Bankwesen. 143
1. Zunächst übernahm das Reich die Gründung. Dieselbe er-
folgte in der Art, daß das Reich von der preußischen Regierung die
Preußische Bank erwarb‘), den preußischen Fiskus und die Anteils-
eigner der Preußischen Bank abfand, die Preußische Bank mit allen
Rechten und Verpflichtungen an die zu errichtende Reichsbank abtrat
und das Grundkapital der Reichsbank durch Aktienzeichnung auf-
aber, soviel ich sehe, nirgends Beifall gefunden. Viele Schriftsteller lehnen die Unter-
ordnung der Reichsbank unter eine privatrechtliche Kategorie damit ab, daß sie eine
öffentlichrechtliche Aufgabe habe und staatliche Zwecke verfolge; dies ist aber ganz
unerheblich, daöffentliche Aufgaben und Interessen auch in der Form von Privatbetrieben
gefördert werden können, wie die Eisenbahnen, Dampfschiffunternehmungen, übersee-
ische Kabelgesellschaften, die preuß. Seehandlung usw. Auch daß das Reich die Leitung
und Geschäftsführung der Bank hat, schließt ihren Charakter als eine den Aktiengesell-
schaften analoge Rechtsbildung nicht aus; der preuß. Staat hat einzelne Privatbahnen
viele Jahre hindurch vor ihrer Verstaatlichung in Verwaltung genommen, ohne daß
sie dadurch aufhörten, Unternehmungen von Aktiengesellschaften zu sein. Ganz un-
erheblich ist endlich, daß das Bankgesetz an Stelle der Ausdrücke Aktie und Aktio-
när die Worte Anteile und Anteilseigner gebraucht, denn die Aktie ist nichts an-
deres als die Urkunde über einen Anteil am Aktienverein. Alle diese Irrtümer finden
sich in der erwähnten Schrift von Beutler und in dem zitierten Aufsatz von Dal-
chow. Das Urteil des Reichsgerichts vom 18. Januar 1886 (Entschei-
dungen in Zivilsachen Bd. 15, S. 230fg.) erklärt die Anteilsscheine der Reichsbank
für befreit vom preußischen Zessionsstempel, schießt aber in der Begründung weit
über das Ziel, indem es die Reichsbank „als ein verfassungsmäßiges Organ (sic!) des
Reiches“ bezeichnet und den „privatrechtlichen Charakter“ derselben bestreitet. Der
Staat selbst als Fiskus ist ja Privatrechtssubjekt. Mit Recht bemerkt Meyera..a.O.
Note 7, daß die Reichsbank nicht Organ des Reichs sein kann, da sie zweifellos eine
vom Reich verschiedene Persönlichkeit ist. Wenn das erwähnte Urteil ausführt, daß
die Anteilseigner untereinander keine Gesellschaft im Sinne des $ 705 des BGB. bil-
den, so gilt dies ganz ebenso von den Mitgliedern einer Aktiengesellschaft, und wenn
das Urteil erklärt, daßes ganz ohne Belang ist, ob den Zeichnern eine feste
Verzinsung oder ein Gewinnanteil eingeräumt wird, so ist für die juristische Natur
eines Rechtsverhältnisses gerade das Gegenteil richtig. Durch dieses Urteil wird
Breit verführt, S. 109 unten, zu sagen, „Ob den Zeichnern eine feste Verzinsung
oder ein Gewinnanteil eingeräumt wird, ist ganz ohne Belang. Nicht anders liegt
aber das Verhältnis bei den Anteilseignern der Reichsbank. Die Anteilseigner sind
in Wahrheit bloße Geldgeber (!), die dem Reiche den von ihm benötigten Betrag
zur Errichtung der Reichsbank vorgestreckt haben“. Man kann nicht ärger den
Gegensatz zwischen Dahrlehn und Gesellschaft und Mitgliedschaft bei einer Aktien-
gesellschaft mißverstehen. Vgl. Handelsgesetzb. $ 213, 215. Das (alte) Handelsge-
setzb. $ 5, unter dessen Herrschaft das Urteil des Reichsgerichts erging, unterwarf die
öffentlichen Banken, auch die Reichsbank, ausdrücklich den von Kaufleuten gel-
tenden Bestimmungen; das neue Handelsgesetzbuch hat dies als entbehrlich fortge-
lassen, „da es keinem Zweifel unterliegen kann, daß nach $ 1, Nr. 5 alle Arten von
Bankinstituten, also auch die öffentlichen, als Kaufleute gelten“. Denkschrift
zum Entwurf S. 19. Die Verfassung und Einrichtung der Reichsbank schließt sich
durchweg sehr eng an die der ehemaligen Preußischen Bank an, welche
durch die Bankordnung vom 5. Oktober 1846 und das Gesetz vom 7. Mai 1856 gere-
gelt war, also aus der Zeit vor Abfassung des Allgem. deutschen Handelsgesetz-
buchs stammt. Daraus erklärt sich wohl zum Teil die Tatsache, daß die Vorschriften
des letzteren im Bankgesetz und Bankstatut wenig Berücksichtigung gefunden haben.
1) Vertrag vom 17./18. Mai 1875. Reichsgesetzbl. S. 215 ff.