Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

172 $ 76. Das Münzwesen. 
mittel Verwendung finden. Nicht das, was man solutionis causa gibt 
und nimmt, ist Geld, sondern das, was man kraft Rechtssatzes in 
Zahlung geben soll und nehmen muß, ist Geld. Was in concreto 
Geld sei, ist eine Frage des positiven Rechtes; sie kann nur für 
jeden Staat, für jedes Rechtsgebiet beantwortet werden. 
Kein Staat von einiger Kultur kann Rechtssätze über das Münz- 
system entbehren, auch wenn er selbst Münzen nicht ausprägt. Der 
wirtschaftliche Verkehr, die Eingehung und Tilgung von Schulden, das 
Finanzwesen des Staates selbst und nicht minder die Handhabung des 
Strafrechts und der Rechtsschutz in Zivilsachen setzen ein bestimmtes 
Münzsystem voraus. Wo der Staat es unterläßt, die Rechtssätze zu 
sanktionieren, tritt sofort ergänzend das Gewohnheitsrecht ein; ins- 
besondere durch Anschluß an das Münzsystem eines benachbarten 
Rechtsgebietes. Auch ausländische Münzen können Geld sein, wenn 
ein Rechtssatz (Gesetz, Staatsvertrag oder Gewohnheitsrecht) sie dazu 
erklärt'), ein Staat aber ohne Rechtssätze darüber, was in seinem 
Gebiete Geld sei, wäre ein Staat ohne Geld. 
2. Dagegen die Herstellung von Münzen ist nicht die Ausübung 
eines Hoheitsrechtes, ist keine Betätigung der Staatsgewalt, keine 
Normierung des Rechtszustandes, sondern einindustrielles Unternehmen, 
eine mit Gewinn verbundene Arbeitsleistung, welche man im allgemeinen 
dem Betriebe jeder beliebigen Metallwarenfabrik gleichstellen kann. So 
wie der Staat im Betriebe der Post und Eisenbahn ein Frachtführer 
und im Betriebe der Bank ein Bankier ist, so ist er bei dem Betriebe 
der Münzprägeanstalten ein Fabrikant von Gold- und Silberwaren ’). 
Gerade diese Seite des Münzwesens ist aber in den früheren Zeiten 
und bis zur Gegenwart als die wesentliche angesehen worden, weil sie 
ein finanzielles Interesse Jdarbot. Die Münzprägung wurde in erster 
Reihe als Einnahmequelle angesehen; deshalb legte sich der Staat das 
ausschließliche Recht bei, Münzen zu fabrizieren und in den Verkehr 
zu bringen; er begründete für den Fiskus das Münzregal oder Münz- 
monopol. Die Regelung des Münzsystems erschien im Vergleich 
hierzu als untergeordnete Nebensache, gleichsam nur als die Art und 
Weise, wie der Staat sein Monopol auf Ausprägung von Münzen ver- 
wirklicht und ausübt. Sobald man aber von dem verkehrten Beginnen 
abläßt, aus der Ausprägung von Münzen eine unsolide Bereicherung 
der Staatskasse zu erzielen, tritt das wahre Verhältnis trotz aller an 
hergebrachten scholastischen Begriffen hängenden Theorien zutage. 
1) Ueber die öffentlich-rechtl. Wirkungen der Beilegung der Geldeigenschaft an 
Münzen fremden Gepräges vgl. Helfferich S. 357. Der praktisch bedeutsamste 
Fall war die Geldeigenschaft der Taler österreichischen Gepräges. 
2) Der Einwand von Meyer $ 119, Note 2, daß in der Prägung eine Beurkun- 
dung des Gewichts und Feingehalts der Münzen enthalten sei, ist unerheblich, denn 
auch bei vielen anderen industriellen Erzeugnissen wird Quantität und Qualität kon- 
statiert. Ein sehr naheliegendes Beispiel gibt das Reichsgesetz vom 16. Juli 1884 
(Reichsgesetzbl. S. 120) über die Angabe des Feingehalts der Gold- und Silberwaren.
	        
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