Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

174 8 76. Das Münzwesen. 
nehmen, und zwar nicht nur im Auftrage und für Rechnung des 
Reiches, sondern auch auf Bestellung von Privatpersonen. Endlich 
ergibt sich hieraus, daß zwischen dem Reich und den Einzelstaaten 
Verhältnisse entstehen, welche die Herstellung von Reichsmünzen für 
Rechnung des Reiches auf den Landesprägeanstalten und die Stellung 
des Reiches gegenüber dem den Einzelstaaten gewährten Prägerecht 
zum Gegenstande haben. 
In der folgenden Darstellung sollen diese rechtlichen Verhältnisse 
näher dargelegt werden‘). 
Il. Die Regelung des Münzwesens seitens des Reiches. 
1. Die Reichsverfassung Art. 4, Nr. 3 erklärt das Reich für zuständig 
»zur Ordnung des Münzsystems«. Von dieser Kompetenz hat das 
Reich den einschneidendsten Gebrauch gemacht, indem es an der 
Spitze des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 den Grundsatz sanktioniert 
hat: »An die Stelle der in Deutschland geltenden 
Landeswährungen tritt die Reichsgoldwährung.« Der 
Zeitpunkt, an welchem die Reichswährung im gesamten Reichsgebiete 
in Kraft getreten ist, wurde durch eine mit Zustimmung des Bundes- 
rates erlassene Verordnung des Kaisers auf den 1. Januar 1876 fest- 
gesetzt?). Den Einzelstaaten war es aber gestattet, schon vor diesem 
Zeitpunkte für ihr Gebiet die »Reichsmarkrechnung« im Verordnungs- 
wege einzuführen’), und viele Staaten haben von dieser Befugnis Ge- 
brauch gemacht‘). Mit dem gesetzlichen Eintritt der Reichswährung 
sind alle landesgesetzlichen und gewohnheitsrecht- 
lichen Rechtssätze über das Münzsystem aufgehoben. 
Die Frage, was gesetzliches Zahlungsmittel sei, ist ausschließlich nach 
dem Reichsmünzgesetz und den auf Grund desselben erlassenen Ver- 
ordnungen zu beantworten. Im ganzen Reichsgebiet, als einem einheit- 
lichen Rechts- und Wirtschaftsgebiet, ist nur derjenige Gegenstand 
»Geld« im Rechtssinne, d.h. gesetzlich anerkanntes und das Rechnungs- 
wesen des allgemeinen Verkehrs bestimmendes Zahlungsmittel, den das 
Reich dazu erklärt. Diese Befugnis des Reiches ist eine ausschließ- 
liche. Nicht nur die bis zur Einführung der Reichswährung in Geltung 
gewesenen Landeswährungen sind abgeschafft, sondern die Einzel- 
staaten können auch fortan kein Geld schaffen, insbesondere nicht 
neben der für das ganze Reichsgebiet geltenden Reichswährung eine 
für ihr Landesgebiet geltende Landeswährung einführen. 
2. Infolge der Beseitigung der Landeswährungen wurde es den 
Einzelstaaten untersagt, Münzen dieser Währungen noch ferner auszu- 
1) Dagegen bieten Durchmesser, Gewicht, Randverzierung, Inschriften der Mün- 
zen usw. in keiner Beziehung ein staatsrechtliches Interesse, sowenig wie 
die Farbe der Briefmarken oder das Format der Banknoten. 
2) Verordnung vom 22. September 1875. Reichsgesetzbl. S. 303. 
3) Münzgesetz Art. 1, Abs. 2 a. E. 
4) Die Verordnungen sind abgedruckt bei Soetbeer, Münzverf. S. 125 ff.
	        
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