8 76. Das Münzwesen. 185
Abs. 2 des Münzgesetzes anerkannten Verpflichtung des Reiches, gegen
Einlieferung von Reichsscheidemünzen Reichsgoldmünzen zu verab-
folgen. Die Einzelstaaten dürfen daher auf ihren Münzstätten Silber-,
Nickel- und Kupfermünzen nur im Auftrage, d. h. auf Bestellung des
Reiches, ausprägen und dieselben nur für Rechnung des Reiches in
Zirkulation setzen. Weder dürfen sie für eigene Rechnung Reichs-
scheidemünzen anfertigen und verausgaben, noch die Ausprägung auf
Bestellung von Privatpersonen übernehmen.
6. Dagegen besteht hinsichtlich der Reichsgoldmünzen, also
der eigentlichen vollgültigen Geldstücke, weder für das Reich noch
für die Einzelstaaten die ausschließliche Befugnis, dieselben in Umlauf
zu setzen. Das Münzgesetz hat im Gegenteil das Prinzip sanktioniert,
daß, sobald das Reich für den zunächst erforderlichen Vorrat gesorgt
hat, es der Privatindustrie überlassen bleiben soll, dem Bedürfnis nach
Goldmünzen zu genügen. Demgemäß sind die Münzstätten der Einzel-
staaten berechtigt und verpflichtet, für Rechnung und auf Bestellung
von Privatpersonen die Ausprägung von Reichsgoldmünzen zu
übernehmen !).
Zwischen der Privatperson, welche die Fabrikation von Reichs-
goldmünzen bestellt, und der Münzstätte, welche die Bestellung ange-
nommen hat, wird ein Vertrag abgeschlossen, welcher nach $ 1, Ziff. 2
des Handelsgesetzbuches ein Handelsgeschäft ist’).
Das Reich hat aber eine Anzahl von Vorschriften erlassen, durch
1) Münzgesetz von 1873, Art. 12, Abs. 2,.von 1909, $ 7, Abs.2. Das Gesetz
erwähnt nur die Ausprägung von Zwanzigmarkstücken. Dies ist aber nicht mit Soet-
beer S.93 (ebenso der Bearbeiter des Münzgesetzes in Hirths Annalen 1874, S. 593)
dahin auszulegen, daß dem Besteller ausschließlich Doppelkronen geliefert werden
müssen und er befugt sei, andere Goldmünzen zurückzuweisen. Der Besteller ist
vielmehr verpflichtet, sich die Lieferung von Doppelkronen, deren Ausprägung am
wenigsten Kosten macht, gefallen zu lassen; er ist nicht befugt, Kronen zu ver-
langen. Wenn ihm ohne Erhöhung der Prägegebühren Kronen geliefert wer-
den, so kann er sie nicht zurückweisen; seiner Berufung auf das Münzgesetz würde
die exceptio „tua non interest“ entgegenstehen. Vgl. auch Bundesratsbeschluß vom
29. Mai 1876, II, Ziff. 5. Nur darf man dies nicht wie Löning S. 666, Note 1 mit
dem Falle verwechseln, daß der Besteller ausdrücklich die Lieferung von Doppel-
kronen sich ausbedingt.
2) Wenn über die Erfüllung oder Nichterfüllung desselben ein Rechtsstreit ent-
steht, so müssen die Vorschriften in Buch III, Titel 1 des Handelsgesetzbuchs An-
wendung finden. Anderer Ansicht Meyer $ 119, Note 31, indem er bestreitet, daß
der Betrieb der Münzstätten ein gewerbsmäßiger sei. Vgl. aber über den Begriff des
gewerbsmäßigen Betriebes der Staatsanstalten oben S.53 fg. Uebrigens ist der Ein-
wand Meyers, selbst wenn er richtig wäre, praktisch unerheblich. Denn für die recht-
liche Beurteilung der in Rede stehenden Verträge ist jedenfalls Buch II, Titel 1
des Handelsgesetzbuchs maßgebend, da die Bestellung von Münzen doch stets
im kaufmännischen Gewerbebetriebe erfolgt, also für denBesteller ein Handels-
geschäft ist und deshalb auch für die Münzstätte nach Handelsrecht beurteiit werden
muß. Handelsgesetzb. $ 345. Im übrigen finden auf das Geschäft die Vorschriften
des BGB.s $ 631 ff. Anwendung.