$ 77. Das Maß- und Gewichtswesen. 193
keine Rechtssätze. Welche Dimensionen und Gewichtsmengen
mit dem Namen Meter, Kilogramm oder Liter bezeichnet werden, ist
ebensowenig Gegenstand eines Rechtssatzes, wie die Bedeutung von
Ausdrücken, welche die Qnalität von Waren bezeichnen. Die gesetz-
liche Ordnung des Maß- und Gewichtssystems kann aber zugleich die
Sanktion von Rechtssätzen enthalten, durch welche jene
Definitionen rechtliche Bedeutung erlangen.
Die Maß- und Gewichtsordnung erklärt, welchen Sinn sowohl in
Gesetzen als in Rechtsgeschäften gewisse Maß- und Gewichtsbezeich-
nungen haben, vorausgesetzt, daß nicht aus den ausdrücklichen Er-
klärungen des Gesetzgebers oder der Parteien, beziehentlich aus konklu-
denten Umständen sich ergibt, daß der Gesetzgeber oder die Parteien
mit jenen Ausdrücken einen andern Sinn verbinden wollten.
Insbesondere hindert der durch Erlaß der Maß- und Gewichts-
ordnung sanktionierte dispositive Rechtssatz niemanden, in dem Gel-
tungsbereich der Maß- und Gewichtsordnung auch andere Maß- und
Gewichtsgrößen bei Rechtsgeschäften in Anwendung zu bringen, z.B.
Waren, welche aus dem Auslande bezogen oder zum Export dahin
bestimmt sind, nach einem ausländischen Maß und Gewicht der
Quantität nach zu bestimmen.
Man kann dies in dem Satz formulieren: Die Einführung eines
Maß- und Gewichtssystems schließt die Verwendung von anderen Maß-
und Gewichtssystemen im geschäftlichen Verkehr nicht aus, ebenso-
wenig wie die gesetzliche Anerkennung eines Münzsystems die Parteien
hindert, Preisverabredungen nach einer ausländischen oder gesetzlich
außer Kurs gesetzten Währung zu treffen. Sowenig man aber mit
solchen Münzen im Rechtssinne »zahlen« kann, darf man mit anderen
Maßen und Gewichten messen und wiegen ').
wichtssystems zu sichern, haben zahlreiche Staaten, darunter auch das Deutsche Reich,
die Internationale Meterkonvention vom 20. Mai 1875 (Reichsgesetzbl.
1876, S. 191 fg.) abgeschlossen, durch welche die Errichtung eines „Internationalen
Maß- und Gewichtsbureaus“ mit dem Sitze in Paris auf gemeinschaftliche Kosten
vereinbart wurde. Die Aufgabe dieses Bureaus ist eine rein wissenschaftliche und
technische; es steht unter der ausschließlichen Leitung und Aufsicht eines internatio-
nalen Komitees, welches seinerseits unter die Autorität einer aus Delegierten aller
vertragschließenden Regierungen “usammengesetzten „Generalkonferenz für Maß und
Gewicht“ gestellt wird. Das Bureau hat die internationalen Urmaße herzu-
stellen, aufzubewahren und die periodisch wiederkehrenden Vergleichungen vorzu-
nehmen; den Vertragsstaaten werden beglaubigte Kopien des internationalen Proto-
typs als nationale Urmaße überwiesen, nach welchen die Kopien, Hauptnormale,
Kontrollnormale und Gebrauchsnormale für die Eichbehörden hergestellt werden.
Vgl. die Bekanntmachung vom 28. Febr. 1913 (Reichsgesetzbl. S. 169) über den Bei-
tritt einiger Staaten. |
1) Soweit im Verkehr die Quantität überhaupt nicht nach Maß und Gewicht be-
stimmt wird, sondern nach der Stückzahl (z. B. ein Dutzend) oder nach gewissen
Packungen (Dosen, Büchsen, Schachteln usw.) kommt die Maß- und Gewichtsordnung
nicht in Betracht; es besteht kein allgemeiner Zwang, im Verkehr die Qualitätsab-
messungen derselben zu beobachten.