Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

194 8 77. Das Maß- und Gewichtswesen. 
Mit dem Erlaß der Maß- und Gewichtsordnung kann aber ferner 
die Sanktion eines zwingenden Rechtssatzes verbunden werden, 
indem der Gebrauch von Maßen und von Gewichten und Wagen, 
welche den Anordnungen des Gesetzes nicht entsprechen, verboten 
ist. Es bezieht sich dies aber nicht auf Vereinbarungen über 
Quantitäten, sondern auf die Feststellung des Umfangs von Lei- 
stungen, falls dieselbe im Verkehr durch Messen und Wiegen erfolgt. 
Auch bei der gewerbsmäßigen Abgabe elektrischer Arbeit dürfen 
nur solche Meßwerkzeuge zur Bestimmung der zu leistenden Vergütung 
verwendet werden, deren Angaben auf den gesetzlichen Einheiten be- 
ruhen; der Gebrauch unrichtiger Meßgeräte ist verboten !). 
2. Die Herstellung der Maße, Gewichte und Wagen ist der 
Privatindustrie freigegeben. Dagegen sind Maße, Gewichte und 
Wagen einer obrigkeitlichen Kontrolle hinsichtlich ihrer Richtigkeit 
unterworfen, indem ihr Gebrauch nur gestattet ist, wenn sie gehörig 
gestempelt sind. Die Prüfung und Stempelung (Eichung) der Maße 
und Gewichte ist ein Akt staatlicher Polizeitätigkeit, welcher den Einzel- 
staaten überlassen ist, jedoch nach Vorschrift und unter Kontrolle des 
Reiches ?). 
Aus diesen Erörterungen ergeben sich die Rechtsfragen, zu welchen 
die Ordnung des Maß- und Gewichtssystems im Deutschen Reiche Ver- 
anlassung bietet; für das Staatsrecht von Belang ist namentlich die 
Abgrenzung der Kompetenz zwischen Reich und Einzelstaaten und ihr 
Zusammenwirken bei der Verwaltung der Eichungsgeschäfte. 
I. Dierechtliche Bedeutung des Maß- und Gewichts- 
systems. 
1. Durch die Einführung der Maß- und Gewichtsordnung ist eine 
reichsgesetzlicheRegeldesjusdispositivum geschaffen, 
welche alle damit in Widerspruch stehenden landesgesetzlichen und 
gewohnheitsrechtlichen Rechtsregeln aufhebt und die durch landes- 
gesetzliche Anordnung nicht aufgehoben werden kann. In allen Ge- 
setzen, Erlassen und Verordnungen des Reiches und der Einzelstaaten, 
welche nach Einführung der Maß- und Gewichtsordnung ergangen sind, 
haben daher die zur Bezeichnung der Maß- und Gewichtsgrößen ver- 
wendeten Ausdrücke kraft Rechtssatzes denjenigen Sinn, welchen das 
Reichsgesetz ihnen beilegt. Ebenso kann für die Beurteilung von 
Rechtsgeschäften nicht eine partikuläre Rechtsregel erlassen werden, 
welche neben den Definitionen des Reichsgesetzes noch andere De- 
finitionen von Maß- und Gewichtsbezeichnungen aufstellt; die Rechts- 
geschäfte sind vielmehr hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Maß- und 
Gewichtsbezeichnungen auszulegen in erster Reihe nach dem 
Willen der Parteien, sei es, daß derselbe ausdrücklich erklärt oder 
1) Gesetz vom 1. Juni 1898, & 6. 
2) Maß- und Gewichtsordnung $ 10ff. Gesetz vom 1. Juni 1898, 8 7 ff.
	        
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