Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

218 8 78. Die Gewerbepolizei. 
den Verhandlungen des Seeamtes beizuwohnen, Einsicht von den Akten 
zu nehmen und für den Fall, daß der Vorsitzende die Einleitung einer 
Untersuchung verweigert, Anträge auf Anordnung einer Untersuchung 
bei dem Reichskanzler zu stellen berechtigt ist. Dieselbe Person kann 
für mehrere Seeämter als Kommissar bestellt werden '!. Auf Antrag 
des Reichskommissars kann, wenn sich ergibt, daß ein deutscher 
Schiffer oder Steuermann infolge des Mangels solcher Eigenschaften, 
welche zur Ausübung seines Gewerbes erforderlich sind, den Unfall 
oder dessen Folgen verschuldet hat, demselben durch den Spruch des 
Seeamtes über die Ursachen des Seeunfalles zugleich die Befugnis zur 
Ausübung seines Gewerbes entzogen werden. Einem Schiffer, dem 
die Befugnis entzogen wird, kann nach Ermessen des Seeamtes auch 
die Ausübung des Steuermannsgewerbes untersagt werden ?). 
Gegen den Spruch des Seeamtes steht das Rechtsmittel der Be- 
schwerde an das Oberseeamt dem Schiffer oder Steuermann zu, 
wenn der Spruch auf Entziehung der Befugnis zur Ausübung des Ge- 
werbes lautet; andererseits dem Reichskommissar, wenn das Seeamt 
einem hierauf gerichteten Antrage desselben nicht Folge gegeben hat °). 
Ueber die Einrichtung des Oberseeamtes siehe Bd. 1, S. 426. 
Einem Schiffer oder Steuermann, dem die Befugnis zur Ausübung 
seines Gewerbes entzogen ist, kann dieselbe nach Ablauf eines Jahres 
durch das Reichsamt des Innern wieder eingeräumt werden, 
wenn anzunehmen ist, daß er fernerhin den Pflichten seines Gewerbes 
genügen wird ?). 
e) Führer von Kraftfahrzeugen bedürfen der Erlaubnis 
der zuständigen Behörde; die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn der Nach- 
suchende seine Befähigung durch eine Prüfung dargetan hat und nicht 
Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er zum Führen 
von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die Erlaubnis wird dem Führer 
durch eine Bescheinigung (Führerschein) beurkundet; sie gilt für das 
ganze Reich’). Die Vorschriften über die Prüfung hat auf Grund des 
1) A. a. 0.8 13. 
2) A.a. O0. 8 26. Wegen dieses Resultates, zu welchem die Untersuchung des 
Seeamts führen kann, ist dem Schiffer und dem Steuermann während des Verfahrens 
eine Rolle zuerteilt, welche ihnen die Möglichkeit einer Verteidigung gewährt und 
die deshalb mit der des Beschuldigten im Strafverfahren einige Aehnlichkeit hat. 
Insbesondere können sie Anträge stellen, über welche das Seeamt zu befinden hat, an 
die zur Vernehmung erschienenen Personen unmittelbar Fragen richten, auch sich 
eines rechts- oder sachkundigen Beistandes bedienen (Gesetz 8 22). Vgl. Kommis- 
sionsbericht S. 3fg., 141g. 
3) S 27, 28 des Gesetzes enthalten die näheren Vorschriften über Einlegung und 
Rechtfertigung der Beschwerde, welche der Regel nach eine aufschiebende Wirkung 
nicht hat. 4) Gesetz 8 34. 
5) Reichsgesetz vom 3. Mai 1909 (Reichsgesetzbl. S. 437 ff... Das Gesetz gehört 
streng genommen nicht hierher; denn es erfordert den Führerschein nicht nur für 
den gewerblichen Betrieb, sondern für jede Führung eines Kraftfahrzeuges 
„auf öffentlichen Wegen und Plätzen“.
	        
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