8 78. Die Gewerbepolizei. 227
Unterbau derselben sind dieIlnnungen; sie sind entweder freie oder
Zwangsinnungen; die freien Innungen sind für alle Gewerbetreibenden,
die Zwangsinnungen nur für Handwerker zugelassen (GO. 8100). An
die Stelle der Innungen können auch Gewerbevereine treten. Ueber
den Innungen und Gewerbevereinen bauen sich dann höhere Forma-
tionen auf.
1. Die Innungen, sowohl die freien wie die zwangsweise er-
richteten, haben teils obligatorische, teils fakultative Aufgaben. Die
obligatorischen bestehen in der Pflege des »Gemeingeistes«, der Auf-
rechterhaltung und Stärkung der »Standesehre«, der Förderung eines
»gedeihlichen Verhältnisses« zwischen Meistern und Gesellen, sowie
Fürsorge für das Herbergswesen und den Arbeitsnachweis. Von kon-
kreterer Bedeutung als diese etwas allgemein gehaltenen Ziele sind »die
nähere Regelung des Lehrlingswesens und die Fürsorge für die tech-
nische, gewerbliche und sittliche Ausbildung der Lehrlinge und die
Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Innungsmiitgliedern und ihren
Lehrlingen über die im $ 4 des Gewerbegerichtsgesetzes bezeich-
neten, sonst zur Zuständigkeit der Gewerbegerichte gehörenden Gegen-
stände ($ 8la)!').
Die fakultativen Aufgaben, auf welche die Innungen ihre Wirksam-
keit ausdehnen dürfen, sind im 8 81b aufgeführt; sie betreffen, abge-
sehen von der Errichtung von Innungskrankenkassen nach den Vor-
schriften der Reichsversicherungsordnung, die Förderung gewerblicher
Interessen, die gewerblichen Schulen, das Prüfungswesen, Unterstüt-
zungen und die Errichtung von Schiedsgerichten.
Die Innungen werden für einen bestimmten Bezirk errichtet,
welcher in der Regel nicht über den Bezirk der höheren Verwaltungs-
behörde hinausgeht. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der
Landeszentralbehörde ($ 82, Abs. 1)?). Jede Innung bedarf eines Sta-
tuts, welches die Aufgaben der Innung, die Einrichtung ihrer
Verwaltung und die Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder regelt, soweit
das Gesetz nicht darüber bestimmt°). Das Statut bedarf der Genehnii-
fahren. Endlich sind durch Art. 103 des Einf.-Ges. zur Reichsversicherungsordnung
mehrere Artikel dieses Titels der Gewerbeordnung abgeändert worden, insbesondere
soweit sie die Innungskrankenkassen betreffen. Da die staatsrechtliche Be-
deutung dieser sehr umfangreichen und sehr in Einzelheiten eingehenden, ihrem
Wesen nach sozialpolitischen Gesetzgebung sehr gering ist, so sind hier nur die
Hauptpunkte in kurzer Uebersicht zusammengestellt. Die zahlreichen besonderen
Bearbeitungen der Handwerkernovelle von 1897 sind durch die neuen großen Kom-
mentare der Gewerbeordnung überholt.
1) Der Bundesrat hat am 19. März 1898 ein Muster für einen Innungsbeschluß
zur Regelung des Lehrlingswesens im Zentralblatt des Deutschen Reiches S. 188 fg.
veröffentlicht.
2) Ueber den Fall, dai3 der Bezirk einer Innung sich über das Gebiet eines Bun-
desstaats hinaus erstreckt, vgl. $ 82, Abs. 2.
3) Der notwendige Inhalt des Innungsstatuts ist im $ 83 der Gewerbeordnung
angegeben. Bestimmungen über die fakultativen Einrichtungen, welche im $ 81b