8 78. Die Gewerbepolizei. 235
Sonntagsruhe zum zwingenden Rechtsgebot erhoben, so daß die ge-
gewerblichen Arbeiter selbst mit ihrer Einwilligung nicht beschäftigt
werden dürfen‘), jedoch sind für eine Anzahl von Fällen, in denen
das Arbeitsverbot mit besonders großen Nachteilen, Belästigungen
oder Gefahren verbunden wäre, beschränkte Ausnahmen zugelassen
($ 105 cf.) ?).
In anderer Weise ist die Sonntagsruhe für das Handelsge-
werbe geregelt ($ 105b, Abs. 2). Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter
dürfen am ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttage überhaupt nicht,
an anderen Sonn- und Festtagen nicht länger als fünf Stunden be-
schäftigt werden; auch kann durch Gemeindestatut die Beschäftigungs-
zeit für alle oder einzelne Zweige des Handelsgewerbes auf kürzere
Zeit eingeschränkt oder ganz untersagt werden; im übrigen werden
die Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, von
der Polizeibehörde festgestellt. Allein für das Handelsgewerbe ist der
Zwang der Sonntagsruhe weit über die Sphäre des Arbeiterschutzes
ausgedehnt worden. Soweit nämlich Gehilfen usw. im Handelsgewerbe
an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden dürfen, darf in offe-
nen Verkaufsstellen ein Gewerbebetrieb an diesen Tagen überhaupt
nicht stattfinden, auch nicht seitens des Unternehmers selbst und seiner
Familiengenossen (8 41a, Abs. 1). Weitergehende landesgesetzliche Be-
schränkungen des Gewerbebetriebes an Sonn- und Festtagen sind dadurch
nicht ausgeschlossen ?). Gänzlich untersagt ist der Gewerbebetrieb im
Umherziehen und der Hausierhandel‘).
Bundesrats auf andere Gewerbe ausgedehnt werden und diese Verordnungen
sind dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt „zur Kenntnisnahme“ vorzu-
legen. 8 105g: Ausgenommen vom Verbot sind die Gast- und Schankwirt-
schaftsgewerhe, Lustbarkeiten (Theater, Konzerte, Schaustellungen) und die Verkehrs-
gewerbe. 8 105i.
1\ Ueber die Dauer der Sonntagsruhe und den Zeitpunkt ihres Beginns enthält
$ 105b, Abs. 1 genaue Vorschriften.
2) Nach 8 41b (Novelle von 1900) kann selbst der Betrieb solcher Gewerbe,
„deren vollständige oder teilweise Ausübung zur Befriedigung täglicher oder an Sonn-
und Festtagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich
ist“, auf Antrag von zwei Dritteln der beteiligten Gewerbetreibenden von der höhe-
ren Verwaltungsbehörde verboten werden, soweit nicht die im 8 105c aufgeführten
Notfälle usw. vorliegen. Vgl. im übrigen hinsichtlich solcher Gewerbe $ 105 e.
Ueber die Voraussetzungen und Bedingungen, unter welchen die höheren Verwaltungs-
behörden Ausnahmen von der Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe zulassen dürfen, hat
der Bundesrat durch Beschluß vom 3. April 1901 Bestimmungen gvetroffen. (Reichs-
gesetzbl. S. 117.)
3) Gewerbeordnung $ 41a, Abs. 2,8 105h. Die landesgesetzlichen Bestimmungen
gehen nicht vom Gesichtspunkt des gewerblichen Arbeiterschutzes, sondern von dem
der kirchlichen Sonntagsfeier aus.
4) Gewerbeordnung $ 55a. Ausnahmen können von der unteren Verwaltungs-
behörde zugelassen werden, der Bundesrat ist aber ermächtigt, Bestimmungen zu er-
lassen über die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen Ausnahmen zuge-
lassen werden dürfen.