238 8 78. Die Gewerbepolizei.
Die Vorschrift des $ 115 ist dagegen insoweit ius dispositivum, als es
gestattet ist, dem Arbeiter mit seiner Zustimmung Lebensmittel zu
einem die Anschaffungskosten nicht übersteigenden Preise, sowie
Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Miet- und Pacht-
preise, Feuerung, Beleuchtung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien und
ärztliche Hilfe, und Werkzeuge und Stoffe zu den ihm übertragenen
Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten unter
Anrechnung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen '. In Gast- und
Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen dürfen Lohn- und Abschlags-
zahlungen nicht ohne Genehmigung der unteren Verwaltungsbehörde
erfolgen ($ 115a).
7. Arbeitgeber und deren Angehörige ($119) dürfen ihren Arbeitern
keine Waren kreditieren oder sie zur Entnahme von Waren aus
gewissen Verkaufsstellen oder zur Verwendung ihres Verdienstes zu
einem anderen Zweck als zur Beteiligung an Einrichtungen zur Ver-
besserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien verpflichten ?).
Forderungen für Waren, welche dem 8 115 zuwider kreditiert worden
sind, können von dem Gläubiger weder eingeklagt noch durch An-
rechnung oder sonst geltend gemacht werden ($ 118).
8. Arbeiter können beim Abgange ein Zeugnis über die Art
und Dauer ihrer Beschäftigung fordern, welches auf Verlangen
des Arbeiters auch auf seine Führung und seine Leistungen aus-
zudehnen ist. Die Ortspolizeibehörde hat das Zeugnis auf Antrag des
Arbeiters kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ?).
9. Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, diejenigen Einrichtungen
herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere
Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu tunlichster
Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind, oder
welche erforderlich sind, um die Aufrechterhaltung der guten Sitten
und des Anstandes zu sichern. Vorschriften darüber können vom
Bundesrat erlassen werden; soweit dies nicht geschehen ist, können
die Landeszentralbehörden oder die zuständigen Polizeibehörden nach
Anhörung der Vorstände der beteiligten Berufsgenossenschaften, die
wird mit Geldstrafe bis zu 2000 Mark und im Unvermögensfalle mit Gefängnis bis zu
6 Monaten bestraft. (Gewerbeordnung $ 146, Ziff. 1.)
1) Gewerbeordnung $ 115, Abs. 2.
2) Gewerbeordnung $ 117—119. Soweit die Hingabe an Zahlungsstatt erlaubt
ist, erstreckt sich dies auch auf die Kreditierung in den im $ 115, Abs. 2 gezogenen
Grenzen. Ueber Lohneinbehaltungen und Lohnauszahlungen vgl. $ 115a und 119a
(Novelle von 1891).
3) Gewerbeordnung $ 113, 114. Das Zeugnis darf nicht mit Merkmalen versehen
werden, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaut des Zeug-
nisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen. Ist der Arbeiter minderjährig, so kann
der gesetzliche Vertreter desselben verlangen, daß das Zeugnis ihm, statt dem Min-
derjährigen ausgehändigt wird. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde kann aber
die Aushändigung auch gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters unmittelbar an
den Arbeiter erfolgen. $ 113, Abs. 4.