Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

242 8 78. Die Gewerbepolizei. 
dieser über den Inhalt der Arbeitsordnung zu hören. Die Arbeits- 
ordnung ist binnen 3 Tagen der unteren Verwaltungsbehörde einzu- 
reichen unter Beifügung der seitens der Arbeiter geäußerten Bedenken, 
soweit diese schriftlich oder zu Protokoll erklärt sind. Ist die Arbeits- 
ordnung nicht vorschriftsmäßig erlassen oder widerspricht ihr Inhalt 
den gesetzlichen Bestimmungen, so ist sie auf Anordnung der unteren 
Verwaltungsbehörde durch eine gesetzmäßige Arbeitsordnung zu er- 
setzen oder entsprechend abzuändern. Der Inhalt der Arbeitsord- 
nung ist, soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeit- 
geber und Arbeiter rechtsverbindlich; er gilt als »vertragsmäßige Ver- 
einbarung« '). 
b) Geldstrafen dürfen die Hälfte des durchschnittlichen Tagesar- 
beitsverdienstes, in schweren Fällen den vollen Betrag des durchschnitt- 
lichen Tagesarbeitsverdienstes nicht überschreiten und alle Stratgelder 
müssen zum Besten der Arbeiter des Betriebs verwendet werden $134b, 
Abs. 2. Eine Konventionalstrafe für den Fall der rechtswidrigen Auf- 
lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter, welche in Ver- 
wirkung des rückständigen Lohnes besteht, darf den Betrag des durch- 
schnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen $ 134, Abs. 1. 
c) Für alle Betriebe, in denen in der Regel mindestens 10 Ar- 
beiter beschäftigt werden, bestehen Verbote und Beschränkungen hin- 
sichtlich der Beschäftigung von Kindern, jugendlichen Arbeitern und 
Arbeiterinnen. Kinder unter 13 Jahren dürfen gar nicht, Kinder unter 
14 Jahren höchstens 6 Stunden, junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren 
höchstens 10 Stunden täglich beschäftigt werden. Die Arbeitszeit 
darf nicht vor 6 Uhr morgens beginnen und nicht über 8 Uhr abends 
dauern?) und muß durch regelmäßige Pausen unterbrochen sein. Die 
Zeit für den erforderlichen Schulunterricht und den erforderlichen 
Religionsunterricht muß freigegeben werden. Nach Beendigung der 
täglichen Arbeitszeit ist den jugendlichen Arbeitern eine ununterbrochene 
Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Neben den 
Vorschriften der Gewerbeordnung enthält das Kinderschutzge- 
setz vom 30. März 1903 (Reichsgesetzbl. S. 113) Beschränkungen der 
1) Vgl. Gewerbeordnung $ 134—134g. Vgl. jedoch über die verwaltungsrecht- 
liche Bedeutung der Fabrikordnung die Erörterungen von Rehm in Hirths Annalen 
1894, S. 132f. Vgl. auch Koehne in der Zeitschrift für vergleichende Rechts- 
wissenschaft Bd. 15 (1901). Landmann II, S. 580 ff. (daselbst auch Literaturan- 
gaben). M. Apt in Arch. f. öffentl. Recht, Bd. 15, S. 321 ff. Die Pflicht zum Erlaß 
einer Arbeitsordnung ist ausgedehnt worden auf alle offenen Verkaufsstellen, 
in welchen in der Regel mindestens zwanzig Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt wer- 
den. $ 139K. 
2) Abweichungen von der mitteleuropäischen Zeit sind durch das Gesetz vom 
31. Juli 1895 zugelassen, wenn der Unterschied zwischen der gesetzlichen Zeit und der 
Ortszeit mehr als eine Viertelstunde beträgt. Siehe oben S. 205. 
3) Gewerbeordnung $ 135, 136. Kinder über 13 Jahre dürfen nur beschäftigt 
werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind.
	        
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