Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

250 8 79. Der Patentschutz. 
Eine Erfindung von gewerblicher Verwertbarkeit wird nur dann 
patentiert, wenn sie neu ist. Unter welchen Voraussetzungen die 
Neuheit einer Erfindung anzuerkennen sei, hat das Gesetz nicht be- 
stimmt; es unterliegt dies der technischen Beurteilung des Patentamts. 
Dagegen hat das Patentgesetz erklärt, daß eine Erfindung in zwei 
Fällen nicht neu sei, nämlich wenn sie bereits vor der Anmeldung 
entweder in öffentlichen Druckschriften aus den letzten hundert Jah- 
ren so genau beschrieben oder im Inlande so offenkundig benutzt 
ist‘), daß darnach die Benutzung durch andere Sachverständige mög- 
lich erscheint ?). 
Ausgeschlossen von dem Patentschutz sind Erfindungen von Nah- 
rungs-, Genuß- und Arzneimitteln, sowie von Stoffen, 
welche auf chemischem Wege hergestellt werden, soweit die Erfin- 
dungen nicht ein bestimmtes Verfahren zur Herstellung der Gegenstände 
betreffen ?). Ueberdies alle Erfindungen, deren Verwertung den Ge- 
setzen oder guten Sitten zuwiderlaufen würde !). 
1) Hinsichtlich der offenkundigen Benutzung ist das Erfordernis aufgestellt, daß 
dieselbe im Inlande geschehen ist, hinsichtlich der Beschreibung in öffentlichen 
Druckschriften nicht. Die Neuheit einer Erfindung ist daher auch zu verneinen, wenn 
die Erfindung in ausländischen amtlichen Patentbeschreibungen veröffentlicht ist. 
Die Novelle von 1891 hat jedoch dem $ 2 die Bestimmung zugefügt, dat die im Aus- 
lande amtlich herausgegebenen Patentbeschreibungen den öffentlichen Druckschriften 
erst nach Ablauf von drei Monaten seit dem Tage der Herausgabe gleichstehen, so- 
fern das Patent von demjenigen, welcher die Erfindung im Auslande angemeldet hat, 
oder von seinem Rechtsnachfolger nachgesucht wird, d. h. sie stehen der Erteilung 
eines Reichspatentes an den Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger nicht im Wege, 
falls die Gegenseitigkeit dieser Begünstigung nach einer im Reichsgesetzblatt ent- 
haltenen Bekanntmachung verbürgtist. Vgl.das Uebereinkommen mit Oesterreich 
und Ungarn vom 6. Dezember 1891, Art. 3 (Reichsgesetzbl. 1892, S. 290) und mit 
Italien vom 18. Januar 1892, Art. 3 (Reichsgesetzbl. S. 295) und vom 4. Juni 1902 
Art. 3 (Reichsgesetzbl. 1903, S. 174). 
2) Gesetz $ 2. Die Bedeutung dieser Bestimmung ist streitig. Nach der einen 
Ansicht will das Gesetz aussprechen, daß n ur in den beiden, im $ 2 erwähnten Fäl- 
len der Charakter der Neuheit mangle, also in allen anderen Fällen eine Erfindung 
als neu anzuerkennen sei. So DambachS.1l; Kohler S. 36; Dahn S. 375 ff.; 
SeligsohnS. 13; GierkeS. 865. Nach der anderen Ansicht spricht das Gesetz 
nicht positiv aus, unter welchen Voraussetzungen eine Erfindung als neu zu erachten 
sei, sondern hebt nur 2 Fälle hervor, in denen dies unbedingt ausgeschlossen ist. 
Vgl. LandgrafS. 15; Klostermann S. 323; Gareis S.56; Rosenthal 
S. 60 ff.; Knoblauch S.61ff.; G. Meyer, Verwaltungsrecht S. 372, Note 18. 
Nach der Fassung des Gesetzes ist die letztere Ansicht für die richtige zu erachten. 
3) $ 1, Abs. 2, Ziff. 2. Ausführliche Erläuterungen hierzu finden sich in allen 
Kommentaren des Patentgesetzes. Die wichtige Streitfrage, ob bei Stoffen, welche 
auf chemischem Wege hergestellt werden, lediglich das bestimmte Verfahren zur 
Herstellung des Stoffes oder auch der Stoff selbst Gegenstand des Patentschutzes sei, 
ist durch die Fassung des $ 4 u.85, Abs. 2 in dem Gesetz vom 7. April 1891 im letz- 
teren Sinne entschieden worden. Mit Rücksicht auf das praktische Bedürfnis hat 
das Reichsgericht schon durch das Urteil vom 14. März 1888 (Entscheid. Bd. 22, 
S. 8 ff.) diesen Satz zur Anwendung gebracht. 
4) $ 1, Abs. 1. Während die erste Ausnahme auf dem Bestreben beruht, die in-
	        
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