Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

266 8 80. Die Seeschiffahrt und die Wasserstraßen. 
vermessungsamtes und des Oberseeamtes. Man kann ihnen allenfalls 
noch die Beaufsichtigung des Auswanderungswesens hinzufügen '). 
Die Einheitlichkeit der Handelsmarine bezieht sich viel- 
mehr auf den internationalen Seeverkehr, auf den völkerrecht- 
lichen Schutz der Schiffahrt, auf die Rechte, die dem Reich anderen 
Staaten gegenüber zur Förderung des Erwerbs durch die Seeschiffahrt 
zustehen. Die Einheitlichkeit der Handelsmarine ist Ausdruck und 
Wirkung der völkerrechtlichen Einheit, zu welcher die deutschen 
Staaten verbunden sind. Der völkerrechtlichen Persönlichkeit des 
Reichs entspricht die einheitliche Nationalität der deutschen Handels- 
schiffe, sowie es dem juristischen Charakter des ehemaligen Deutschen 
Bundes entsprach, daß jeder Bundesstaat, soweit er überhaupt tatsäch- 
lich in Frage kam, im internationalen Verkehr seine besondere Han- 
delsmarine hatte. Die Einheitlichkeit der Handelsmarine besteht daher 
ausschließlichin der Reichsangehörigkeit dereinzelnen Schiffe, 
aus denen die Marine sich zusammensetzt. Die Reichsangehörigkeit 
ist das alleinige gemeinsame Merkmal, auf welchem die Einheitlich- 
keit beruht; sie kann mit dem Reichsbürgerrecht und dem gemein- 
samen Indigenat des Art.3 der Reichsverfassung verglichen werden. 
Nach Art. 4, Ziff. 7 der Reichsverfassung erstreckt sich daher die 
Zuständigkeit des Reichs auf die »Organisation eines gemeinsamen 
Schutzes der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See«. 
Die Nationalität der Schiffe findet nach altem Herkommen Aus- 
druck in der Flagge. Die Anerkennung der Flagge seitens der 
schiffahrttreibenden Nationen ist gleichbedeutend mit der völkerrecht- 
lichen Anerkennung des Staates, dessen Symbol die Flagge ist. Die 
Einheitlichkeit der Handelsmarine muß daher in einer einheitlichen 
Nationalflagge zur Erscheinung kommen, ja man kann für eine sinn- 
liche Anschauungsweise geradezu sagen: Die Einheitlichkeit der Han- 
delsmarine besteht in der gemeinsamen Flagge. Das Hauptmerk- 
mal der Flaggen ist eine bestimmte Farbenzusammenstellung. Daher 
bestimmt Art. 55 der Reichsverfassung: »Die Flagge der Kriegs- 
und Handelsmarine ist schwarz-weiß-rot«?. Diese 
Anordnung ist die nähere Bestimmung des Grundsatzes, welchen Art. 54, 
1) Verordnung des Bundesrats über Auswanderungsschiffe vom 18. Februar 1903 
(Reichsgesetzbl. S. 37) und vom 26. Februar 1904 (Reichsgesetzbl. S. 136). 
2) Die Form usw. der deutschen Nationalflagge ist festgestellt worden durch die 
Kaiserl. Verordnung vom 25. Oktober 1867 (Bundesgesetzbl. S. 39) und vom 8. No- 
vember 1892 (Reichsgesetzbl. S. 1050). In den $$ 3 u. 4 dieser Verordnung ist die 
Dienstflagge der Reichsbehörden festgestellt. Vgl. auch Erlaß vom 1. Juli 1896 
(Reichsgesetzbl. S. 181) und dazu Zentralbl. 1896, S. 461. Ueber die Erlaubnis das 
Eiserne Kreuz auf der Handelsflagge zu führen siehe diese Verordnung und die Ver- 
ordaung vom 7. Februar 1903 (Reichsgesetzbl. S. 199). Die Befugnis des Kaisers, 
die Form der Reichsflagge und die Art ihrer Führung zu bestimmen, ist im Flaggen- 
gesetz $ 1, Abs. 2 ausdrücklich anerkannt worden.
	        
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