384 8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit.
des Belagerungszustandes die Kriegsgerichte und Standrechte und im
Falle eines Krieges die Prisengerichte hinzukommen können. Es
hat ferner besondere Gerichte zugelassen!), nämlich die auf Staats-
verträgen beruhenden Rheinschiffahrts- und Elbzollgerichte ?), agra-
rische Gerichte °), .Gemeindegerichte unter sehr einschränkenden Be-
dingungen *) und Gewerbe- und Kaufmannsgerichte’°). Insoweit nun
1) Gerichtsverfassungsgesetz 8 14.
2) Vgl. hierüber die Motive S. 34 (Hahn S. 49).
3) Motive S. 35 (Hahn S. 50).
4) Eine Gerichtsbarkeit der Gemeindebehörden existierte zur Zeit der Einfüh-
rung der Justizgesetze nur in Württemberg und Baden. Vgl. Motive S. 37 (Hahn
S. 51) und Protokoll der Reichstagskommissiou I. Lesung, S. 121 ff. (Hahn S. 407),
II. Lesung, S. 578 ff. (Hahn S. 755). Verhandl. des Reichstages, Stenogr. Berichte
1876/77, S. 190—204 (Hahn S. 1141). Nach der Fassung, welche die Bestimmung in-
folge des Reichstagsbeschlusses erhalten hat, ist es in Zweifel gezogen worden, ob
überhaupt noch von einer Gerichtsbarkeit der Gemeindegerichte oder nur von
Gemeindeschiedsämtern gesprochen werden könne, da jeder der beiden Parteien
gegen das Urteil die Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg zusteht; indessen ist
zu beachten, daß wenn von dieser Befugnis kein Gebrauch gemacht wird, das Urteil
des Gemeindegerichts von Rechts wegen vollstreckbar wird.
5) Motive S. 388 (Hahn S. 52). Ueber die Gewerbegerichte erging das
Reichsgesetz vom 29. Juli 1890 (Reichsgesetzbl. S. 141), welches durch das Reichsgesetz
vom 30. Juni 1901 (Reichsgesetzbl. S. 355 ff.) in neuer Fassung vom 22. September
1901 (Reichsgesetzbl. S. 353) ersetzt worden ist. Nach dem Muster dieses Gesetzes
wurden durch das Reichsgesetz vom 6. Juli 1904 (Reichsgesetzbl. S. 266) die Kauf-
mannsgerichte geregelt. Prinzipiell ist die Errichtung dieser Gerichte fakul-
tativ und erfolgt von der Gemeinde (oder für mehrere Gemeinden oder einen
weiteren Kommunalverband) durch Ortsstatut nach 8 142 der Gewerbeordnung mit
Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Die Errichtung kann aber auch durch
Anordnung der Landeszentralbehörde erfolgen und für Gemeinden mit mehr als
20000 Einwohnern müssen diese Gerichte errichtet werden. Sie sind ohne Rück-
sicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig für die im Gewerbegerichts-
gesetz 5$ 4 fg., im Kaufmannsgerichtsgesetz $ 5 aufgeführten Gegenstände. Durch
die Zuständigkeit dieser Gerichte wird die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte
ausgeschlossen. In Abweichung von dem sonst für die zugelassenen beson-
deren Gerichte der Einzelstaaten geltenden Pıinzip ist sowohl die Zusammensetzung
wie das Verfahren dieser Gerichte in den beiden Reichsgesetzen vollständig geregelt,
also der Autonomie der Einzelstaaten entzogen. Auf das Verfahren finden die Vor-
schriften der Zivilprozeßordnung über das amtsgerichtliche Verfahren nur mit den
in den beiden Gesetzen vorgeschriebenen Abweichungen Anwendung. (Gewerbege-
richtsgesetz 88 26 ff., Kaufmannsgerichtsgesetz $ 16). Dies gilt auch hinsichtlich der
Rechtsmittel; als Berufungs- und Beschwerdegericht ist das Landgericht, in dessen
Bezirk das Gewerbe- oder Kaufmannsgericht seinen Sitz hat, zuständig; die Beru-
fung ist aber nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes 100 resp. 300 Mark
übersteigt. Auch die Gerichtskosten sind reichsgesetzlich geregelt. Ueber die Kauf-
mannsgerichte siehe Seidel in Hirths Annalen 1909 S. 433, 497. Diese durch Wahl
der Arbeiter und Arbeitgeber gebildeten Behörden sollen nicht nur Recht sprechen,
sondern sie sollen zugleich Einigungsämter sein und überdies über gewerbliche Fragen
den Staats- und Kommunalbehörden Gutachten abgeben und befugt sein, in ge-
werblichen Fragen Anträge an Behörden, Vertretungen von Kommunalverbänden und
an die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesstaaten oder des Reichs zu richten.
Gewerbegerichtsgesetz 88 62 ff. 75. Kaufmannsgerichtsgesetz 8$ 17, 18. Zu den zu-