$ 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 333
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen diesen »besonderen«
Gerichten zugewiesen sind, was hinsichtlich der reichsgesetzlich be-
stellten ohne weiteres eintritt, hinsichtlich der reichsgesetzlich zuge-
lassenen eine Anordnung des Einzelstaates voraussetzt, scheiden auch
diese Streitigkeiten aus dem Gebiete der »ordentlichen« streitigen Ge-
richtsbarkeit aus und das Gerichtsverfassungsgesetz, sowie die Reichs-
prozeßordnungen werden für dieselben unanwendbar. Von dieser
Autonomie können die Einzelstaaten auch in der Art Gebrauch
machen, daß sie die Gerichtsbarkeit zwar den ordentlichen Lan-
desgerichten belassen, daß sie aber die im Gerichtsverfassungsgesetz
vorgeschriebenen Zuständigkeitsnormen abändern‘, daß sie in Straf-
sachen ein von der Strafprozeßordnung?) und in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten ein von der Zivilprozeßordnung abweichendes Verfahren
vorschreiben °).
Auch hinsichtlich derjenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
welche zwar reichsgesetzlich den ordentlichen Gerichten zugewiesen
sind, für welche aber ein besonderes, d. h. von den Vorschriften der
Zivilprozeßordnung abweichendes Verfahren gestattet ist (Aufgebots-
sachen, erbschaftliche Liquidationsverfahren und Streitigkeiten, welche
eine Zwangsenteignung betreffen), ist den Einzelstaaten eine beschränkte
Autonomie zugestanden, indem sie im Wege der Landesgesetzgebung
die Zuständigkeit der ordentlichen Landesgerichte nach anderen als
den durch das Gerichtsverfassunsgesetz vorgeschriebenen Normen be-
stimmen dürfen ®).
III. Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, inwieweit die
Einzelstaaten befugt sind, im Wege der Landesgesetzgebung die Zu-
ständigkeit der ordentlichen Gerichte und damit zugleich den Umfang
der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit zu bestimmen. Gänzlich
ausgeschlossen ist aber ein Eingriff in die gesetzlich normierte Zu-
ständigkeit der Gerichte für einen oder mehrere einzelne Fälle, so-
wohlim Wege der Autonomie als auch im Wege der
Verwaltung?°) »Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf
seinem gesetzlichen Richter entzogen werden« ®).
gelassenen besonderen Gerichten gehören auch die auf Grund der Gewerbeordnung
85 8la und 81b, sowie 88 91—91b gebildeten Innungsgerichte. Sie haben
durch das Gewerbegerichtsgesetz keine Einschränkung erfahren. Durch die Zustän-
digkeit einer Innung oder eines Innungsschiedsgerichts wird für den Bezirk der In-
nung die Zuständigkeit des Gewerbegerichts ausgeschlossen. Gewerbegerichtsge-
setz $ 84.
1) Einuführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz $ 3, Abs. 1.
2) Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung $ 3, Abs. 2.
3) Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung $ 3. Abs. 2. In allen diesen Be-
ziehungen machen die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, sowie die Arbeiterschieds-
gerichte eine Ausnahme.
4) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz & 3, Abs. 3.
5) Vgl. Motive S. 54 (Hahn S. 64).
6) Gerichtsverfassungsgesetz 8 16. Nur die Kriegsgerichte und Standrechte sind