Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 387 
Verwaltungsgericht sich für zuständig halten; oder ein negativer, 
wenn keine dieser Behörden sich für zuständig erklärt. Hat ein 
rechtskräftiges Urteil eines Gerichts den Rechtsweg für zulässig erklärt, 
so »bleibt diese Entscheidung maßgebend«, d. h. die Erhebung des 
Konflikts ist nicht mehr zulässig. Dadurch ist für die Fälle 
des positiven Konflikts die Sache entschieden. Wenn dagegen ein 
rechtskräftiges Urteil eines Gerichts den Rechtsweg für unzulässig er- 
klärt, so ist diese Entscheidung nach $ 17, Ziff. 4 des Gerichtsver- 
fassungsgesetzes nicht für maßgebend erklärt; es ist vielmehr der 
Landesgesetzgebung überlassen, zu bestimmen, in welcher 
Weise, falls auch die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte 
sich für unzuständig erklären, der negative Konflikt erledigt werden 
soll. Insbesondere kann die zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts 
eingesetzte Behörde landesgesetzlich befugt sein, das rechtskräftige ge- 
richtliche Urteil aufzuheben und die Zulässigkeit des Rechtswegs in 
einer die Gerichte bindenden Weise auszusprechen. Es erhebt sich 
nun die Frage, ob dies auch dann stattfinden kann, wenn das Reichs- 
gericht den Rechtsweg für unzulässigerklärt hat; ob also eine 
Landesbehörde befugt ist, die Entscheidung einer Reichsbehörde auf- 
zuheben und der Kompetenzgerichtshof des Einzelstaates im Wider- 
spruch mit der Entscheidung des Reichsgerichts den Rechtsweg für 
zulässig erklären kann !. Aus einer Wortinterpretation des $ 17 des 
Gerichtsverfassungsgesetzes ist diese Frage nicht zu entscheiden, wohl 
aber nach dem staatsrechtlichen Verhältnis der Reichs- und Landes- 
behörden zueinander. Rechtskräftige Entscheidungen der einen 
können von den anderen nicht aufgehoben werden. Dieser Grundsatz 
ist für andere Fälle eines möglichen Kompetenzkonflikts in der Reichs- 
gesetzgebung wiederholt anerkannt worden, nämlich im Gesetz vom 
12. Juni 1869 8 21 (Oberhandelsgericht), im $ 7 des Einführungsgesetzes 
zur Zivilprozeßordnung (Oberstes Landesgericht), im Art. 14 des Ein- 
führungsgesetzes zur Militärstrafgerichtsordnung (Militärgerichte), im 
Gewerbegerichtsgesetz $ 28 und 8 86; Kaufmannsgerichtsgesetz $ 16 
Abs. 2. Ist also eine Entscheidung des Reichsgerichts erfolgt, so kann 
1) Während das bayerische Gesetz vom 18. August 1879 Art. 22 Abs. 2 bestimmt, 
daß ein die Unzulässigkeit des Rechtswegs aussprechendes Urteil des Reichsgerichts 
maßgebend sei, hatte die preuß. Verordnung vom 1. August 1879 diese Frage nicht 
entschieden. Dadurch ist ein Konflikt zwischen dem Reichsgericht und dem preu- 
Bischen Kompetenzkonfliktsgerichtshof entstanden. Der letztere hat in mehreren 
Fällen, in welchen das Reichsgericht den Rechtsweg für unzulässig erklärt hat, diese 
Entscheidungen auf Grund der preuß. Verordnung vom 1. August 1879, $ 21 aufgehoben 
und die Sache zur Entscheidung an das Reichsgericht zurückverwiesen; das Reichs- 
gericht hat diesen Entscheidungen sich nicht gefügt und die Aufhebungen der reichs- 
gerichtlichen Entscheidungen durch die Behörde eines Einzelstaates für unzulässig 
erklärt. Entscheidungen in Zivilsachen Bd. 44, S.4 fl. Nach meiner 
Ansicht war das Reichsgericht hierin im Recht. Die Frage ist jetzt erledigt, indem 
das preuß. Gesetz vom 22. Mai 1902 Art. 1 die Erhebung des Kompetenzkonflikts 
nicht mehr gestattet, wenn ein Oberlandesgericht ein revisibles Urteil gefällt hat.
	        
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