Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

388 8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 
nicht eine Landesbehörde sie kassieren und das Reichsgericht nötigen, 
gegen seine in dem Urteil begründete Rechtsüberzeugung sich als zu- 
ständig zu betrachten '., Das Reichsgericht ist aber noch weiter ge- 
gangen und hat durch eine Plenarentscheidung der vereinigten Zivil- 
senate vom 22. Mai (Entscheidung in Zivilsachen Band 48, Seite 195) 
entschieden, daß, sobald die Sache beim Reichsgericht anhängig 
sei, dieses allein über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Rechts- 
weges zu entscheiden habe; denn es entscheide als eine den Bundes- 
staaten übergeordnete Gewalt auf Grund der Justizhoheit des Reichs 
selbständig den einzelnen Bundesstaaten gegenüber ’?). 
Der Einzelstaat kann auch die Entscheidung der Kompetenzkon- 
flikte dem Reichsgericht übertragen ; da das letztere aber eine Reichs- 
behörde ist, also nicht zur unmittelbaren Verfügung der Einzelstaaten 
steht, so muß der Einzelstaat einen Antrag bei der Reichsregierung 
machen, auf Grund dessen das Reichsgericht durch eine mit Zustim- 
mung des Bundesrates erlassene kaiserliche Verordnung zur Entschei- 
dung dieser Streitigkeiten bestellt wird?).. Von dieser Befugnis hat bis- 
her nur Bremen Gebrauch gemacht‘). 
Da das Reichsgericht in dem in Rede stehenden Falle an Stelle 
einer besonderen Landesbehörde entscheidet, so ist seine Kompe- 
tenz auch an dieselben Voraussetzungen und Schranken gebunden. 
Die Landesbehörde kann selbstverständlich nur Kompetenzstreitigkeiten 
unter den Behörden des betreffenden Staates erledigen, über die Ho- 
heitsrechte anderer Bundesstaaten und die Art ihrer Geltendmachung 
steht ihr keine Entscheidung zu. Mithin kann die Ausnahme von 
dem Grundprinzip, daß die Gerichte über die Zulässigkeit des Rechts- 
wegs entscheiden, überhaupt nur Platz greifen, wenn der Kompetenz- 
konflikt von der Behörde desjenigen Staates erhoben wird, dem das 
mit der Sache befaßte Gericht angehört. Dagegen ist weder die Be- 
1) Uebereinstimmender Ansicht ist Wach, Zivilprozeß I, S. 102 fg.; Gaupp, 
Zivilprozeßordnung S. 9 u.a. Auch die Landesgesetze erkennen dies an. Vgl. Hell- 
wig System S. 52, Anm. 17. Die entgegengesetzte Ansicht wird vertreten von 
G. Meyer, Staatsrecht $& 181, Note 13; Löning, im Verwaltungsarchiv Bd. 8, 
S. 161 fg.; Lucas, in der deutschen Juristenzeitung VI, (1901) S. 53 fg. Daselbst 
weitere Literaturangaben. 
2) Diese Begründung ist nicht unbedenklich (siehe die 4. Aufl. dieses Werkes 
Bd. 3, S. 365), aber die Landesgesetze schließen übereinstimmend die Erhebung des 
Konflikts aus, wenn die Revision beim Reichsgericht eingelegt ist. Vgl. außer dem 
zit. preuß. Gesetz vom 22. Mai 1902 Art. 1 das württemb. Gesetz vom 25. August 
1879 Art. 5, die Verordnung der beiden Mecklenburg vom 19. Mai 1879 $ 12, das 
braunschweigische Gesetz vom 1. April 1879 8 6 (vgl. die zitierte Entsch. des Reichs- 
gerichts S. 203). Auf dem entgegengesetzten Standpunkt steht die Entscheidung des 
Reichsgerichts in Strafsachen vom 12. März 1900, der zufolge der Landesherr das 
Abolitionsrecht auch dem Reichsgericht gegenüber wirksam ausüben kann. Siehe 
unten $ 93, IV. 
3) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz 8 17, Abs. 1. 
4) Verordnung vom 26. September 1879. Reichsgesetzbl. S. 198.
	        
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