Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 389 
hörde eines anderen Bundesstaates noch irgendeine Reichsbehörde') 
befugt, den Kompetenzkonflikt zu erheben, und andererseits erstreckt 
sich die Rechtskraft der Urteile einer zur Entscheidung von Kom- 
petenzkonflikten eingesetzten Behörde nur auf das Kompetenzverhältnis 
der Behörden des betreffenden Staates und ist für die Gerichte und 
Verwaltungsbehörden eines anderen Staates unmaßgeblich. Dies alles 
gilt auch dann, wenn das Reichsgericht zum Kompetenzkonfliktsgericht 
bestellt ist, also zur Zeit in Bremen. 
2. Der Grundsatz, daß die Gerichte über die Zulässigkeit des Rechts- 
weges entscheiden, erstreckt sich nicht bloß in materieller Rücksicht 
auf die Frage, wie weit das Gebiet der ordentlichen streitigen Gerichts- 
barkeit reicht, sondern auch auf die formellen Vorbedingungen, von 
denen das Beschreiten des Rechtsweges abhängig gemacht ist. Soweit 
nicht in der Straf- und Zivilprozeßordnung reichsgesetzlich Ausnahmen 
anerkannt sind, darf die Rechtsverfolgung im Wege des Straf- und 
Zivilprozesses nicht erschwert oder versagt und namentlich nicht von 
der Vorprüfung einer Verwaltungsbehörde abhängig gemacht werden ?). 
Jede Anordnung dieser Art käme im praktischen Resultat auf eine 
teilweise oder eventuelle Justizverweigerung hinaus und widerspräche 
sowohl dem allgemeinen Rechtsbewußtsein des Volkes als auch der 
ausdrücklichen Vorschrift der Reichsverfassung ?). Dessenungeachtet 
hat auch in dieser Beziehung die Reichsgesetzgebung eine Ausnahme 
geduldet. Sie hat die landesgesetzlichen Vorschriften unberührt gelassen, 
durch welche die strafrechtliche oder zivilrechtliche Verfolgung öffent- 
licher Beamten wegen der in Ausübung oder in Veranlassung der 
Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Handlungen — entweder im 
Falle des Verlangens einer vorgesetzten Behörde oder unbedingt — 
an die Vorentscheidung einer besonderen Behörde 
gebunden ist‘). Durch diese »Vorentscheidung« ist festzustellen, ob 
1) Vgl. hierüber die Aeußerungen der Abgg. v. Puttkammer und Dr. Bähr 
in der Reichstagskommission, Protokoll S. 487 ff. (Hahn S. 686), sowie Wach S. 104 
und das zit. Urteil des Reichsgerichtes S. 201 fg. Das Auswärtige Amt kann in seiner 
Eigenschaft als preuß. Ministerium der ausw. Angelegenheiten in einer bei einem 
preuß. Gericht anhängigen Streitsache den Kompetenzkonflikt erheben (Fall Hellfeld). 
2) Es ist dies nicht zu verwechseln mit der Autorisation zur Prozeßführung, 
welche untergeordnete Behörden oder die Verwaltungen von Gemeinden, Korpo- 
rationen, Stiftungen usw. einholen müssen. Dieses Erfordernis ist lediglich eine 
Folge des Dienstaufsichtsrechts. Die Fortdauer der hierüber bestehenden Rechtsvor- 
schriften ist anerkannt in der Zivilprozeßordnung 8 51. 
3) Reichsverfassung Art. 77. 
4) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz $ 11, Abs. 2. Vgl. hierzu 
Hausera.a. O.S. 129 fl.; Löwe, Strafprozeßordnung S. 15 ff.; Lippmann -in 
Hirths Annalen 1885, S. 421 ff. und Nadbyl (Art. „Konflikt“) in v. Stengels Wörter- 
buch I, S. 818 ff.; Gravenhorst in Fleischmanns Wörterbuch Bd. II, S. 607 ff.; 
Stein, Grenzen und Beziehungen zwischen Justiz und Verwaltung (1912) S. 112 ff.; 
Silberschmidt, Die zivilrechtl. Bedeutung der Vorentscheidung im Archiv für 
bürgerl. Recht Bd. 20, Heft 2.
	        
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