$ 86. Die Gerichtsbarkeit des Reichs. 413
teils durch das Konsulargericht, teils durch das Reichsgericht. Der
Konsul ist nur dann zur Ausübung befugt, wenn er vom Reichskanzler
dazu ermächtigt ist!).. Die Zuständigkeit des Konsuls entspricht der-
jenigen der Amtsgerichte. Das Konsulargericht besteht aus dem Konsul
als Vorsitzendem und zwei Beisitzern ?); es ist zuständig in den Sachen,
welche durch das Gerichtsverfassungsgesetz und die Prozeßordnungen
den Landgerichten in erster Instanz sowie den Schöffengerichten zu-
gewiesen sind, und zur Entscheidung über Beschwerden gegen die
Entscheidungen des Konsuls in Strafsachen). Der Konsul übt in
Strafsachen die Verrichtungen des Amtsrichters und des Vorsitzenden
der Strafkammer aus. Bei Verbrechen, welche zur Zuständigkeit der
Schwurgerichte oder des Reichsgerichts gehören, hat der Konsul die
erforderlichen Sicherheitsmaßregeln zu treffen und diejenigen Unter-
suchungshandlungen vorzunehmen, in Ansehung derer Gefahr im Ver-
zug obwaltet; und sodann die Akten der Staatsanwaltschafi bei dem
zuständigen deutschen Gericht, eventuell dem Oberreichsanwalt zu
übersenden *). Die im Verwaltungsstreitverfahren zu treffenden Ent-
scheidungen werden für die Konsulargerichtsbezirke in erster und letzter
Instanz von dem Bundesrat erlassen’).
b) Die Marinestrafgerichte und das Reichsmilitär-
gericht. Vgl. darüber Bd. 4, $ 109. |
c) Die Prisengerichte entscheiden über die Rechtmäßigkeit
der in einem Kriege gemachten Prisen. Sie sind keine ständigen Be-
hörden, sondern werden im Falle eines Krieges oder einer ‚Blockade
gebildet. Der Sitz dieser Gerichte, ihre Zusammensetzung, das Verfahren
vor denselben, sowie die Verpflichtung anderer Behörden des Reichs
oder der Bundesstaaten, in Prisensachen mitzuwirken, werden durch
kaiserliche Verordnung bestimmt °).
2. Die Gerichtsbarkeit des Reichsgerichtsin an-
1) Der Reichskanzler kann neben dem Konsul oder an Stelle des Konsuls einem
anderen Beamten die gerichtlichem Geschäfte übertragen. Gesetz 8 6, Abs. 2.
2) In Strafsachen sind in der Hauptverhandlung vier Beisitzer beizuziehen, wenn
es sich um ein Verbrechen oder um ein Vergehen handelt, welches weder zur Zu-
ständigkeit der Schöffengerichte, noch zu den in den 88 74 und 75 des Gerichtsver-
fassungsgesetzes bezeichneten Handlungen gehört. Gesetz & 8, Abs. 2.
3) Gesetz 8 10. Auf die Beisitzer finden die von den Schöffen im 8 30 des Ge-
richtsverfassungsgesetzes aufgestellten Regeln Anwendung. Daselbst $ 11.
4) Gesetz S 55. 5) Gesetz 8 23, Abs. 2.
6) Reichsgesetz über die Prisengerichtsbarkeit vom 3. Mai 1884 (Reichsgesetzbl.
S. 49). Verordnung vom 15. Februar 1889 (ostafrikanische Blockade) (Reichsgesetzbl.
S. 5). In dieser Verordnung sind zwei Instanzen angeordnet, das Prisengericht in
Sansibar und das Oberprisengericht in Berlin; zugleich wird das Verfahren in beiden
Instanzen geregelt. In der zweiten Friedenskonferenz im Haag von 1907 wurde eine
Konvention über die Errichtung eines internationalen Prisengerichts ver-
einbart. Vgl. M. Huber im Jahrbuch des öffentl. Rechts 1908 S. 479 fg.; Zornin
der Zeitschr. für Politik Bd. II (1909) S. 338 ff. und namentlich Pohl, Deutsche
Prisengerichtsbarkeit, Tüb. 1911.