Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 87. Die Verpflichtung zur Rechtshilfe. 417 
keine Termine abhalten usw. Wenn daher in einem Verfahren infolge 
der Vorschriften der Prozeßgesetze eine richterliche Handlung 
erforderlich wird, welche in einem anderen Gerichtsbezirk als in dem 
des Prozeßgerichts vorzunehmen ist, so muß das Gericht dieses ande- 
ren Bezirks um Vornahme der Handlung ersucht werden !). 
Von diesem Prinzip gibt es jedoch eine zweifache Ausnahme; wenn 
nämlich das Amtsgericht des Ortes seine Zustimmung zur Vornahme 
der Amtshandlung seitens des ersuchenden Gerichts erteilt und wenn 
Gefahr im Verzuge ist; in dem letzteren Falle ist nur dem Amtsge- 
richt des Ortes Anzeige zu machen ??). Ob das Amtsgericht des Ortes, 
welches um Erteilung der Zustimmung ersucht worden ist, dieselbe 
erteilen oder versagen will, ist ganz und gar in sein amtliches Er- 
messen gestellt; eine Beschwerde wegen verweigerter Zustimmung fin- 
det nicht statt°); andererseits hat das Prozeßgericht allein darüber zu 
befinden, ob Gefahr im Verzuge ist, ohne sich in Verhandlungen dar- 
über mit dem Amtsgericht des Ortes einlassen zu müssen. 
Auf der Berücksichtiguung der Gefahr im Verzug beruht ferner 
die im Anschluß an die Bestimmung des Rechtshilfegesetzes $ 30 ge- 
troffene Anordnung des $ 168 des Gerichtsverfassungsgesetzes, daß die 
Sicherheitsbeamten eines Bundesstaates ermächtigt sind, die Ver- 
folgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines andern Bundesstaates 
fortzusetzen und den Flüchtigen daselbst zu ergreifen. Der Ergriffene 
ist aber unverzüglich an das nächste Gericht oder die nächste Po- 
lizeibehörde des Bundesstaates, in welchem er ergriffen wurde, abzu- 
führen. 
2. Das Ersuchen um Rechtshilfe ist immer an das Amtsgericht 
zu richten, in dessen Bezirke die Amtshandlung vorgenommen werden 
soll, ohne Unterschied, welcher Ordnung das ersuchende Gericht 
ist*.. Nur wenn in einem anderen Gerichtsbezirke eine Freiheitsstrafe 
vollstreckt oder ein Verurteilter zum Zweck der Strafverbüßung er- 
griffen und abgeliefert werden soll, ist das Ersuchen an die Staats- 
anwaltschaft bei dem Landgerichte des Bezirks zu richten °). 
3. Das ersuchte Amtsgericht darf das Ersuchen nicht ablehnen, 
außer wenn ihm selbst die örtliche Zuständigkeit mangelt, das Er- 
1) Der Ausdruck „Rechtshilfe“ wird auch von dem Falle angewendet, daß ein 
im Instanzenzug vorgesetztes Gericht (z. B. ein Landgericht oder Oberlandesgericht) 
ein Amtsgericht seines eigenen Bezirks um Vornahme einer richterlichen Handlung 
ersucht, und die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes umfassen auch diesen 
Fall, vgl. Lö we Note 4 zu Titel 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes; für das Reichs- 
staatsrecht ist aber die gegenseitige Verpflichtung der Staaten, einander 
durch ihre Gerichtsbehörden Rechtshilfe zu leisten, vorwiegend von Interesse. 
2) Gerichtsverfassungsgesetz 8 167. 
3) Kellera.a. 0. S. 208. Anderer Ansicht Löwe Note 3 zu $ 167. 
4) Gerichtsverfassungsgesetz $ 158. 
5) Ebendaselbst $ 164.
	        
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