& 87. Die Verpflichtung zur Rechtshilfe. A421
Jedoch ist ein Bundesstaat niemals verpflichtet, die Akten seiner Be-
hörden unmittelbar dem Gericht eines anderen Bundesstaates vorzu-
legen, sondern stets nur durch Vermittlung eines inländischen Amts-
gerichts, an welches das Ersuchen um Mitteilung zu richten ist.
6. Die Bundesstaaten sind verpflichtet, die gerichtliche Rechtshilfe
einander unentgeltlich zuleisten. Nur diebaren Auslagen,
welche durch Ablieferung oder Strafvollstreckung entstehen, sind der
ersuchten Behörde von der ersuchenden zu erstatten, wenn diese Be-
hörden verschiedenen Staaten angehören; in allen anderen Fällen kön-
nen weder Gebühren noch bare Auslagen liquidiert werden. Auch
bei der Strafvollstreckung darf für die allgemeinen Kosten der Gefängnis-
verwaltung u. dgl. Aufwendungen nichts in Anrechnung gebracht werden,
weil diese Kosten nicht bare Auslagen sind, welche durch die Strafvoll-
streckung in dem einzelnen konkreten Falle entstehen!). Dieser Grund-
satz gilt aber nur für das Verhältnis der Staaten zueinander, nicht für
die Verpflichtung der Parteien zur Tragung der Kosten des Verfahrens.
Wenn eine zahlungspflichtige Partei vorhanden ist, was bei bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten regelmäßig, bei Strafsachen dann der Fall
ist, wenn der Angeklagte rechtskräftig verurteilt worden ist, so sind
von derselben die Kosten der Rechtshilfe zu ersetzen und die ersuchende
Behörde ist verpflichtet, die Kosten einzuziehen und den eingezogenen
Betrag der ersuchten Behörde zu übersenden’).
II. Andere Fälle der reichsgesetzlich angeordneten
Rechtshilfe.
1. Das Rechtshilfegesetz vom 21. Juni 1869 hat seine prak-
tische Bedeutung fast vollkommen verloren, nachdem für alle beson-
deren Gerichte von Wichtigkeit die Grundsätze des Gerichtsverfassungs-
gesetzes für anwendbar erklärt worden sind; es kann jetzt nur noch
zur Anwendung kommen auf Ersuchen der Rheinschiffahrts- und Elb-
zollgerichte, der agrarischen und Gemeindegerichte und der Austrägal-
gerichte, die sämtlich einen äußerst beschränkten Wirkungskreis haben.
Der Unterschied gegen die nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungs-
gesetzes zu behandelnden Fälle besteht darin, daß über die Zulässig-
Grundprinzip. Die Vorschrift ist von der Reichstagskommission in das Gesetz aufge-
nommen worden. Vgl. Protokoll I. Lesung, S. 17 ff. (Hahn S. 327).
1) Gerichtsverfassungsgesetz 8 165, Abs. 1u.2. Es ist noch besonders in Rück-
sicht auf die Länder mit französischem Einregistrierungssystem hervorgehoben, daß
„Stempeleinregistrierungsgebühren oder andere öffentliche Abgaben, welchen die von
der ersuchenden Behörde übersendeten Schriftstücke nach dem Rechte der ersuchten
Behörde unterliegen, außer Ansatz bleiben“. Ebenda Abs. 4.
2) Gerichtsverfassungsgesetz 8 165, Abs. 3. Soweit die Einziehung der Kosten
nicht gelingt, trägt die ersuchte Behörde den Ausfall; ebenso sind die Kosten der
Rechtshilfe in Strafsachen für sie verloren, wenn der Angeschuldigte während des
Verfahrens stirbt, wenn das Verfahren eingestellt wird oder wenn es zur Freispre-
chung führt usw., weil es in allen diesen Fällen an einer ersatzpflichtigen Partei fehlt.