432 $ 88. Die Gerichtsverfassung.
reichsgesetzlichen Vorschriften über die Fähigkeit zum Richteramte
nicht genügt hat. Die Justizverwaltungen der Einzelstaaten sind in
dieser Hinsicht lediglich durch die Landesgesetze beschränkt.
c) Die Schöffengerichte werden »bei den Amtsgerichten«
gebildet '), d. h. sie sind keine besonderen, für sich organisierten Be-
hörden, sondern nur Spruchkollegien, welche im System der Justiz-
behörden unter den Amtsgerichten mit inbegriffen sind; eine prozes-
suale Form der Anıtsgerichte?). Dem Amtsrichter treten für die
Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen zwei Schöffen zur
Seite. Wenn das Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt ist, so
steht es der Landesjustizverwaltung frei, unter denselben denjenigen
zu bestimmen, welcher den Vorsitz des Schöffengerichts führt, oder
anzuordnen, daß der Vorsitz von ihnen abwechselnd geführt werden
soll; auch kann in diesen Anordnungen nach Belieben eine Aenderung
getroffen werden *),. Dagegen ist eine Kinwirkung der Verwaltung auf
die Auswahl der bei dem einzelnen Fall mitwirkenden Schöffen aus-
geschlossen, indem die Reihenfolge, in welcher die zur Leistung des
Schöffendienstes bestimmten Personen an den Sitzungen teilnehmen,
vorher bestimmt wird. Siehe unten 8 91, 1.
d) Jedem Amtsgericht, gleichviel, ob es mit einem oder mehreren
Richtern besetzt ist, steht ein Einzelrichter vor, welcher diejenigen ge-
schäftlichen Angelegenheiten zu erledigen hat, die dem Amtsgericht
als Gesamtbehörde obliegen, insbesondere die Verwaltungsgeschäfte?),
sowie die allgemeine Dienstaufsicht über die Subalternbeamten des
Gerichts, und, falls dasselbe mit mehreren Richtern besetzt ist, auch
über diese, soweit es sich um die Verteilung und Erledigung der Ge-
schäfte handelt‘). Ist die Zahl der Richter höher als fünfzehn, so kann
die Dienstaufsicht zwischen mehreren von ihnen geteilt werden.
2. Die Landgerichte. Dieselben umfassen die Zivilkammern
und Strafkammern, die Schwurgerichte und die Kammern für Handels-
sachen. Ueber die Einrichtung der Landgerichte als Gesamtbehörden
und die Art der Bildung der Prozeßgerichte gelten folgende reichs-
gesetzliche Anordnungen.
a) Die regelmäßigen und wesentlichen Spruchbehörden der Land-
gerichte sind die Zivil- und Strafkammern; dieselben müssen
1) Gerichtsverfassungsgesetz 5 25.
2) Vgl. Motive zum Gerichtsverfassungsgesetz S. 31 (Hahn S. 47).
3) A. a. 0. 8 26.
4) Wenn einem Amtsrichter der Vorsitz im Schöffengericht genommen und die
Erledigung anderer Geschäfte bei demselben Amtsgerichte übertragen wird, so
findet $ 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes hierauf keine Anwendung, d.h. der Richter
hat dagegen kein Widerspruchsrecht.
5) Dahin gehört z. B. die Aufsicht und Fürsorge für die zum Gebrauch des Amts-
gerichts dienenden Lokalitäten, Inventarstücke usw.
6) Gerichtsverfassungsgesetz $ 22. Vgl. über den Sinn des Wortes „Dienstauf-
sicht“ die Protokolle der Reichstagskommission 1. Lesung, S. 152 (Hahn S. 480).