438 $ 88. Die Gerichtsverfassung.
lichen Vorschriften zur Anwendung'); wenn dagegen ein nicht ständig
angestellter Richter einem Landgerichte als Hilfsrichter beigeordnet
wird, so sind die Landesjustizverwaltungen an die Beobachtung von
zwei reichsgesetzlichen Bestimmungen gebunden, welche die Unab-
hängigkeit des Hilfsrichters von der Justizverwaltung sichern sollen;
nämlich erstens, daß die Beiordnung, wenn sie auf bestimmte Zeit
erfolgte, vor Ablauf dieser Zeit und, wenn sie auf unbestimmte Zeit er-
folgte, so lange das Bedürfnis, durch welches sie veranlaßt wurde, fort-
dauert, nicht widerrufen werden darf?); und zweitens, daß, wenn mit
der Vertretung eine Entschädigung verbunden ist, diese für die ganze
Dauer im voraus festzustellen ist?).
3. Die Oberlandesgerichte. Die Organisation derselben ist
deshalb sehr einfach, weil bei ihnen nur die regelmäßigen Spruch-
kollegien, die »Zivil- und Strafsenate«, gebildet werden*). An der Spitze
des Gerichtshofes steht ein Präsident; den Vorsitz in den Senaten
führen Senatspräsidenten 5); das »Präsidium« wird gebildet aus dem
Präsidenten, den Senatspräsidenten und den beiden ältesten Mitgliedern
(Räten) des Gerichts.
Nach dem Wortlaute des Gesetzes, welches »Zivil- und Strafsenate«
und neben dem Präsidenten eine Anzahl von Senatspräsidenten erfor-
dert, kann es nicht zweifelhaft sein, daß an jedem Oberlandesgerichte
mehrere Senate gebildet werden müssen und daß regelmäßig be-
sondere Senate für Zivilsachen und besondere für Strafsachen zu er-
richten sind; indes kann es nicht für ausgeschlossen erachtet werden,
daß einem Senate die Erledigung von Zivil- und Strafsachen über-
tragen wird®).
Ueber die Verteilung des Vorsitzes und über die Zuweisung der
Räte zu den einzelnen Senaten, hinsichtlich der Geschäftsverteilung und
hinsichtlich der Ordnung der Vertretung im Falle der Verhinderung
gelten die für die Landgerichte gegebenen Vorschriften auch für die
Oberlandesgerichte. Zu Hilfsrichtern dürfen jedoch nur ange-
stellte Richter berufen werden‘). Den Einzelstaaten ist im
übrigen eine Beschränkung nicht auferlegt; die im 8 69 zit. enthaltenen
Vorschriften über die Hilfsrichter bei den Landgerichten sind auf die
Oberlandesgerichte nicht für anwendbar erklärt; den Einzelstaaten ist
1) 8 69 eit., Abs. 3.
2) In der Justizkommission des Reichstags ist wiederholt konstatiert worden,
daß „unwiderruflich“ bedeuten solle „nicht ohne Zustimmung des Mitglie-
des widerruflich“.
3) 8 69 cit., Abs. 2; vorbehaltlich einer etatsmäßigen Erhöhung der Bezüge. Pro-
tokoll S. 651 (Hahn S. 811).
4) Gerichtsverfassungsgesetz $ 120. 5) $& 119 cit.
6) So bestimmt beispielsweise die elsaß-lothring. Verordnung vom 29. April 1880
(Gesetzhl. S. 121), daß bei dem Oberlandesgerichte in Kolmar zur Erledigung der
Zivilsachen drei Senate bestehen und daß der dritte Senat zugleich Strafsenat ist.
7) 8 121 und 122 a. a. O.