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sollen, ist nicht bestimmt; nur ist die Teilnahme von mindestens zwei
Dritteilen aller Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden erforderlich,
und die Zahl der Mitglieder, welche eine entscheidende Stimme führen,
muß eine ungerade sein!).
Der Geschäftsgang bei dem Reichsgericht wird durch eine vom
Plenum desselben auszuarbeitende und vom Bundesrat zu bestätigende
Geschäftsordnung geregelt’).
Die über die Organisation des Reichsgerichts gegebenen Vorschrif-
ten finden auch auf die nach 53 des Einführungsgesetzes zum Gerichts-
verfassungsgesetz errichteten obersten Landesgerichte, d. h. also auf
den königlich bayerischen obersten Landesgerichtshof in München,
entsprechende Anwendung’).
5. Bei jedem Gerichte (im organisatorischen Sinne) wird eine
Gerichtsschreiberei eingerichtet; ferner werden Beamte mit
den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen betraut (Gerichts-
vollzieher)‘. Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der Gerichts-
schreiber und der Gerichtsvollzieher werden bei dem Reichsgericht
durch den Reichskanzler, bei den Landesgerichten durch die Landes-
justizverwaltung bestimmt °).
8 89. Die Staatsanwaltschaft*).
I. Die Prozeßordnungen erfordern bei allen Strafsachen und bei
gewissen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Ehesachen, Entmündigungen,
Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern) die
Tätigkeit einer von den Gerichten verschiedenen Behörde, welche die
Bezeichnung Staatsanwaltschaft führt. Hierdurch ist die Einrichtung
einer solchen bei dem Reichsgericht erforderlich gemacht und
den Einzelstaaten die Verpflichtung auferlegt wor-
den, für das Bestehen von Behörden Sorge zu tragen, welche bei
den Landesgerichten die der Staatsanwaltschaft reichsgesetzlich zuge-
wiesenen Geschäfte wahrnehmen. Die prozessualischen ÖOb-
liegenheiten und Befugnisse der Staatsanwaltschaft sind in den Pro-
1) 8 139 a. a. 0.
2)8& 141 a.a. O. Vgl. Zentralbl. 1880, S. 190 ff. u. 1886, S. 300.
3) 8 10 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz.
4) Hellwig, Jahrb. II, S. 92 ff. Ullmann, Strafprozeßrecht S. 159 ff.
5) Gerichtsverfassungsgesetz $ 154, 155.
*, Vgl. Schwarze in v. Holtzendorffs Handbuch des Strafprozeßrechts Bd.II,
S. 582 ff. und jetzt besonders John, Strafprozeßordnung II, S.1; Glaser, Straf-
prozeß II, S. 132f.; Ullmann, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts, S. 222 ff.
Ferner sind zu erwähnen Tinsch, Die Staatsanwaltschaft im deutschen Reichspro-
zeßrecht, Erlangen 1883, und v. Marck, Die Staatsanwaltschaft bei den Land- und
Amtsgerichten in Preußen, Berlin 1884. Bennecke, Strafprozeßrecht (2. Aufl. 1900),
Ss. 123 ff.;, W. Mittermaier, Die Parteistellung der Staatsanwaltschaft, Stuttgart
1897; Binding, Grundriß des Strafprozesses, 5. Aufl., S.105fg. Daselbst zahlreiche
Literaturangaben.