Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

444 8 89. Die Staatsanwaltschaft. 
einstweilig in den Ruhestand versetzt werden können'). Im Zusam- 
menhang mit dieser abhängigen und wenig gesicherten dienstlichen 
Stellung der Staatsanwälte steht das reichsgesetzliche Verbot, denselben 
die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte und eine Dienstauf- 
sicht über die Richter zu übertragen ?). 
2. Aus der einheitlichen zentralistischen Organisation der Staats- 
anwaltschaft folgt aber nicht nur die Oberleitung des Justizministeriums 
über die gesamte Staatsanwaltschaft des Einzelstaates, beziehentlich des 
Reichskanzlers über die Reichsanwaltschaft, sondern auch die einheitliche 
Leitung der einzelnen Staatsanwaltschaften (staatsanwaltschaftlichen Sta- 
tionen), welche an den Gerichten bestellt sind. Dieselben können weder 
eine kollegialische Verfassung haben noch aus gleichberechtigten, von- 
einander unabhängigen Mitgliedern bestehen, sondern sie müssen einer 
einheitlichen Spitze unterstellt sein. Wenngleich der an einem Gerichte 
bestellten Staatsanwaltschaft mehrere Beamte zugewiesen werden, so ist 
doch nur einer Staatsanwalt im eigentlichen Rechtssinne; die andern 
sind nur seine Gehilfen oder Vertreter. Das Reichsgesetz vermeidet 
zwar, ihnen die Bezeichnung Staatsanwaltsgehilfen beizulegen, es stellt 
sie aber in scharfen juristischen Gegensatz zu dem »ersten« Beam- 
ten der Staatsanwaltschaft eines Gerichts. Die dem letzteren »beige- 
ordneten« Personen gelten als dessen Vertreter, sie werden als von 
ihm beauftragt angesehen, auch ohne daß sie für die einzelnen 
Amtsverrichtungen den Nachweis eines besonderen Auftrages zu er- 
bringen brauchen °); sie führen daher ihre amtlichen Geschäfte unter 
der Verantwortlichkeit des »ersten Staatsanwalts«, der als ihr unmittel- 
barer Vorgesetzter anzusehen ist und dessen Anweisungen sie Folge 
zu leisten verpflichtet sind *). 
3. Der Grundsatz, daß niemand seinem gesetzlichen Richter ent- 
zogen werden soll, findet auf die Staatsanwaltschaft keine analoge An- 
wendung, und die Regeln des Gerichtsverfassungsgesetzes über die 
Geschäftsverteilung bei den Gerichtsbehörden, durch welche jede Will- 
kür in betreff der Auswahl oder der Zusammensetzung der erkennen- 
den Spruchkollegien für den einzelnen Fall ausgeschlossen werden soll, 
bilden einen scharfen Gegensatz zu den für die Staatsanwaltschaft 
geltenden Vorschriften. Abgesehen von den in der örtlichen Begren- 
zung der Zuständigkeit liegenden Schranken hat die Verwaltung das 
Recht und die Pflicht, für die Wahrnehmung der staatsanwaltschaft- 
lichen Verrichtungen die dafür geeignetste Persönlichkeit auszuwählen. 
Nur die an den Gerichten bestellten Staatsanwaltschaften (Staatsan- 
waltschaftsstationen) haben eine rechtlich begrenzte Zuständigkeit, aber 
1) Gerichtsverfassungsgesetz $ 150, Abs. 2. 
2) Ebendaselbst $ 152. 3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 145. 
4) Ob dieser Grundsatz auch auf das Verhältnis mehrerer bei demselben Amts- 
gerichte bestellter Amtsanwälte Anwendung findet, ist der Anordnung der Einzel- 
staaten anheimgegeben. Motive S. 162 a. E., 164 (Hahn S. 147, 148). 
 
	        
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