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ständen des Falles gesetzlich zulässig ist‘); es besteht also gerade der
entgegengesetzte Grundsatz, wie ihn $ 159, Abs. 1 des Gerichtsverfas-
sungsgesetzes für das Ersuchen der Gerichte aufstellt?).
2. Wenn das Ersuchen an eine, dem requirierenden Staatsanwalt
nicht dienstlich untergebene, staatsanwaltschaftliche Behörde
gerichtet wird, so hat die letztere nach eigenem Ermessen zu prüfen, ob
sie nach Maßgabe der ihr erteilten dienstlichen Anweisungen dem Er-
suchen stattzugeben habe oder nicht. Lehnt sie die Erledigung ab, so ist
dagegen nur der Weg der Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu-
lässig; die definitive Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit dar-
über, ob dem Ersuchen Folge zu leisten sei oder nicht, ruht also bei dem
Justizministerium, welchem der requirierte Staatsanwalt untergeord-
net ist. Falls sich hieraus eine Differenz unter den Regierungen ver-
schiedener Bundesstaaten ergibt, so würde dieselbe nach Art. 17 der
Reichsverfassung durch den Kaiser (Reichskanzler), beziehentlich nach
Art. 7, Ziff. 3 der Reichsverfassung durch Beschluß des Bundesrates
ihre Ausgleichung finden müssen. Vgl. jedoch unten sub V, Ziff. 3.
3. Die Beanıten des Polizei- und Sicherheitsdienstes sind Hilfsbe-
amte der Staatsanwaltschaft und in dieser Eigenschaft verpflichtet,
den Anordnungen der Staatsanwälte bei den Landgerichten ihres Be-
zirks und der diesen vorgesetzten Beamten Folge zu leisten ®); ihnen
gegenüber bedarf es daher keines Ersuchens, sondern sie werden mit
der Vornahme der fraglichen Handlung beauftragt. Die Staatsan-
waltschaft ist aber auch befugt, durch die Behörden und Beamten des
1) Strafprozeßordnung $ 160, Abs. 2.
2) John II, S.44 ff. hat sich in ausführlicher Erörterung gegen diesen Satz ge-
wendet, der ihm „etwas dunkel“ erscheint. Er findet, daß $ 159 des Gerichtsverfas-
sungsgesetzes und $ 160 der Strafprozeßordnung das gleiche Prinzip enthalten,
nur daß 8 159 cit. zwei Ausnahmen (örtliche Unzuständigkeit und gesetzliche Unzu-
lässigkeit der verlangten Handlung), dagegen $ 160 eit. nur eine Ausnahme, nämlich
die gesetzliche Unzulässigkeit, anerkennt. Er kommt daher zu dem sonderbaren Re-
sultat, daß der von einem Staatsanwalt requirierte Staatsanwalt eine an sich zulässige
Handlung nicht vorzunehmen braucht, wenn sie ihm oder der ihm vorgesetzten Be-
hörde nicht zweckmäßig erscheint, daß dagegen der vom Staatsanwalt requirierte
Amtsrichter sie unbedingt vornehmen müsse! John übersieht hierbei, daß $ 159
des Gerichtsverfassungsgesetzes die Ablehnung der Rechtshilfe nur gestattet, wenn
die verlangte Handlung gesetzlich verboten, also in abstracto unzulässig ist,
8 160 der Strafprozeßordnung dagegen dem Amtsrichter die Pflicht auferlegt zu prüfen,
ob die verlangte Handlung nach den Umständen des Falls, also in con-
ereto zulässig ist. Ob also z. B. eine Verhaftung oder Beschlagnahme vorzunehmen,
ein Zeuge zur Ableistung des Eides zu zwingen sei, hat der vom Staatsanwalt requi-
rierte Amtsrichter nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu prüfen,
der vom Gericht ersuchte Amtsrichter nicht. In dem letzteren Grundsatz liegt aber
die wesentliche Eigentümlichkeit der reichsgesetzlichen Rechtshilfe Vgl.
auch Löwe Note 11 zu 8 160 der Strafprozeßordnung; Glaser, Strafprozeß II,
S.373; Ullmann S.231 und besonders Kronecker in Goltdammers Archiv Bd. 29,
S. 317 ff. (1881).
3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 153, Abs. 1.