$ 89. Die Staatsanwaltschaft. 449
chem die Einzelstaatsgewalt so wenig als möglich eingeschränkt wor-
den ist, die Wirkung des bundesstaatlichen Verhältnisses, welches die
deutschen Staaten zu einer höheren Einheit verbindet').
3. Dasselbe gilt von einem anderen ähnlichen Falle. Da die ört-
liche Zuständigkeit der Beamten der Staatsanwaltschaft durch die ört-
liche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt wird, für welches sie bestellt
sind, so steht die Verfolgung einer strafbaren Handlung nur der Staats-
anwaltschaft desjenigen Gerichts zu, bei welchem nach den Vorschrif-
ten der Strafprozeßordnung der Gerichtsstand begründet ist?). Können
sich nun die Beamten der Staatsanwaltschaft verschiedener
Bundesstaaten nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung
zu übernehmen hat, so entscheidet der ihnen gemeinsam vorgesetzte
Beamte der Staatsanwaltschaft®), in Ermangelung eines solchen der
Oberreichsanwalt‘®)
VI. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz & 151 ist die Staatsanwalt-
schaft in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig und
eine in sich geschlossene und einheitlich geleitete Behörde; durch die
Strafprozeßordnung ist jedoch dieses Prinzip durchbrochen worden.
Es gilt für die Betreibung der Strafverfolgung seitens der Staats-
anwaltschaft das sogenannte Legalitäts prinzip; d.h. die Frage, ob
eine Strafverfolgung eintreten soll oder nicht, ist nicht nach Zweck-
mäßigkeitsrücksichten, politischen Erwägungen u. dgl. zu entscheiden,
sondern die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, soweit nicht gesetz-
lich ein anderes bestimmt ist, wegen aller gerichtlich strafbaren und
verfolgbaren Handlungen »einzuschreiten«, sofern zureichende tatsäch-
liche Anhaltspunkte vorliegen‘). In dieser Gesetzesvorschrift ist ein
staatsrechtliches Prinzip ersten Ranges enthalten; es sichert
dem einzelnen den Schutz der Strafgesetze, indem es die Gewährung
desselben dem arbiträren Ermessen, d. h. der Willkür, der Staats-
1) Vgl. jedoch hinsichtlich der Leitung der Staatsanwaltschaften durch die Lan-
desjustizverwaltungen in den Gerichtsgemeinschaftsbezirken oben S. 445, Note 3.
John II, S. 25, Anm. 12 macht mit Recht die Bemerkung, daß, wenn der Jenasche
Oberstaatsanwalt dem Staatsanwalt beim Landgericht Weimar eine Anweisung erteilt,
er dies in seiner Eigenschaft als großherzogl. Sachsen-Weimar-Eisenachscher, und
wenn er dem Staatsanwalt beim Landgericht Gotha anweist, er dies in seiner Eigen-
schaft als herzogl. Koburg-Gothascher Staatsanwalt tut; allein daraus folgt nicht, daß
das sonst unter den Staatsanwaltschaften verschiedener Staaten bestehende
Verhältnis in den Gerichtsgemeinschaftsbezirken nicht modifiziert sei. Denn der
Jenasche Oberstaatsanwalt kann auch in Weimarschen Rechtssachen den Staatsan-
walt beim Landgericht Gotha zu einem bestimmten Handeln an weisen; der Dienst-
befehl tritt an die Stelle des „Ersuchens*“.
2) Motive S. 163 a. E. (Hahn S. 148).
3) Ein solcher existiert nur für die Gebiete, für welche Gerichtsgemeinschaften
bestehen.
4) Gerichtsverfassungsgesetz 8 144, Abs. 3.
5) Strafprozeßordnung $ 152, Abs.2. Vgl. John ILS. 50ff.; Glaser I, S. 221 ff.;
II, S. 339 ff.; Ullmann S. 206 ff.