Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 90. Die Rechtsanwaltschaft. 459 
nitäl« der Einzelstaaten ist auch hier so wenig wie auf anderen Ge- 
bieten des staatlichen Lebens etwas wahrzunehmen. 
I. Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. 
1. Der oberste Grundsatz ist der, daß niemand Rechtsanwalt wer- 
den kann, ohne daß er von der Landes justizverwaltung (beziehent- 
lich beim Reichsgericht vom Präsidium desselben) zugelassen 
worden ist'), daß die Zulassung aber nicht vom freien Belieben der 
Landesjustizverwaltung abhängig ist, sondern daß die Entscheidung 
über die Zulassung nach den vom Reich erlassenen Vorschriften ge- 
troffen werden muß. In diesem Satze findet ein im gegenwärtigen 
deutschen Reichsrecht häufig wiederkehrendes Prinzip Anwendung: 
die formale Ausübung der Hoheitsrechte geht im einzelnen Falle von 
der Einzelstaatsgewalt aus, die materielle Regelung aber, wie das 
Hoheitsrecht zu handhaben ist, wird vom Reich gegeben; der Einzel- 
staat bringt den Untertanen gegenüber seinen Willen zur Geltung, 
er empfängt aber vom Reich den Befehl, was er wollen muß und 
wie er den Willen zu erklären hat. So wie den Einzelstaaten die 
sogenannte Justizhoheit verblieben ist, aber Gerichtsverfassung und 
Prozeßordnungen, also der Inbegriff der Rechtsnormen über die Aus- 
übung der Justizhoheit, vom Reich ihnen vorgeschrieben sind, so 
kommt ihre Justizhoheit (Staatsgewalt) auch zur Anerkennung, indem 
sie den Rechtsanwälten die Zulassung erteilen oder versagen, aber ihr 
Wille ist hierbei kein freier, sondern ein vom Reich gebundener. 
2. Befähigt zur Rechtsanwaltschaft ist nur derjenige, welcher 
dieFähigkeitzum Richteramt erlangt hat’); in Ermangelung 
dieser Voraussetzung darf die Zulassung nicht erteilt werden. Die Be- 
dingungen für die Befähigung zum Richteramt sind nun aber vom 
Reich nicht ausreichend geregelt, indem es an Vorschriften und Kon- 
trollen hinsichtlich der beiden juristischen Prüfungen fehlt; infolge- 
dessen ist keine Landesjustizverwaltung gehalten, die in einem ande- 
ren Staate bestandenen Prüfungen anzuerkennen’), sie soll aber auch 
andererseits hieran nicht durch Landesgesetz gehindert werden. Hier- 
aus ergibt sich für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ganz dasselbe 
Resultat, wie für die Anstellung in einem Richteramt; die Justizver- 
waltung jedes Staates kann den in einem anderen Bundesstaate be- 
standenen juristischen Prüfungen Wirksamkeit zuerkennen oder ver- 
sagen. 
3. Berechtigt, die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu ver- 
langen, ist jeder in demjenigen Staate, in welchem er die zum Rich- 
teramte befähigende Prüfung bestanden hat, und sein Antrag darf nur 
aus den in der Rechtsanwaltsordnung bezeichneten Gründen abgelehnt 
1) Rechtsanwaltsordnung $ 3, 9. 
2) Rechtsanwaltsordnung 8 1. Uebergangsbestimmungen ebendaselbst $ 108. 
3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 2. Siehe unten & 91, Il.
	        
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