Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

456 $ 90. Die Rechtsanwaltschaft. 
werden '',. Diese Gründe zerfallen in zwei Kategorien: die einen sind 
solche, wegen deren die Zulassung abgelehnt werden muß?), die an- 
deren solche, wegen deren sie versagt werden kann). Die ersteren, 
denen praktisch die größere Bedeutung zukommt, betreffen den Man- 
gel der Ehrenhaftigkeit und Unbescholtenheit, den Betrieb einer mit dem 
Beruf oder der Würde eines Rechtsanwalts nicht zu vereinbarenden 
Beschäftigung, körperliche Gebrechen oder Schwäche der geistigen und 
körperlichen Kräfte u. dgl.*. Soweit bei der Beurteilung dieser Ab- 
weisungsgründe ein diskretionäres Ermessen Platz finden kann, ist 
überdies der Landesjustizverwaltung die selbständige Entscheidung 
entzogen; sie ist an das Gutachten des Vorstandes der Anwaltskammer 
gebunden’) und sie hat in allen Fällen vor der Entscheidung dieses 
Gutachten einzuholen °). Durch diese Bestimmungen ist allerdings die 
Rechtsanwaltschaft de facto für alle, welche die juristischen Prüfungen 
bestanden haben und vollkommen an Recht, Ehre und Gesundheit 
sind, innerhalb des Staates, in welchem die Prüfung abgelegt wor- 
den ist, freigegeben; die Zulassung ist nichts weiter als eine for- 
male Anerkennung, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt’). 
4. Die Zulassung ist lokalisiert, d.h. sie erfolgt bei einem 
bestimmten Gerichte®). In gewissen gesetzlich bestimmten Fällen ist 
der bei einem Gerichte zugelassene Anwalt auch bei einem anderen, 
an dem Orte seines Wohnsitzes befindlichen Kollegialgericht oder bei 
dem Öberlandesgericht oder auch selbst bei einem benachbarten Land- 
gericht zuzulassen; die Entscheidung darüber ist nicht der Landes- 
justizverwaltung anheimgegeben, sondern von dem Gutachten des 
1) Rechtsanwaltsordnung 8 4. Bei einem mehreren Bundesstaaten gemeinsamen 
Gerichte muß jeder zugelassen werden, der in einem dieser Staaten die Fähigkeit zum 
Richteramte erlangt hat. 
2) Ebendaselbst $ 5. 3) Ebendaselbst $ 6. 
4) Ueber die einzelnen Bestimmungen, deren nähere Erörterung kein staatsrecht- 
liches Interesse hat, vgl. die Kommentare zur Rechtsanwaltsordnung von Völk 
S. 26 ff. und von Fr. Meyer S. 17ff. 
5) Rechtsanwaltsordnung $ 5, Ziff. 4, 5, 6. Wird die Zulassung versagt, so ist 
auf Verlangen des Antragstellers über den Grund der Versagung im ehrengericht- 
lichen Verfahren zu entscheiden. Vgl. $ 16 ebendaselbst. 
6) Ebendaselbst S 3, Abs 2. 
7) Unter den drei fakultativen Versagungsgründen des 8 6 modifiziert nur der 
erste dieses Prinzip. Er gestattet den Landesjustizverwaltungen, die Zulassung zu 
versagen, „wenn der Antragsteller, nachdem er die Fähigkeit zur Rechtsanwaltschaft 
erlangt hatte, während eines Zeitraums von drei Jahren weder als Rechtsanwalt zu- 
gelassen ist, noch ein Reichs-, Staats- oder Gemeindeamt bekleidet hat, noch im Ju- 
stizdienst oder als Lehrer des Rechts an einer deutschen Universität tätig gewesen 
ist“. Hierdurch ist denjenigen Personen, welche zwar die juristischen Prüfungen be- 
standen haben, später aber längere Zeit hindurch von einer mit der Berufstätigkeit 
des Rechtsanwalts in innerem Zusammenhange stehenden Beschäftigung sich fernge- 
halten haben, zwar nicht die Fähigkeit, wohl aber der Rechtsanspruch auf Zulassung 
versagt worden. 
8) Rechtsanwaltsordnung 8 8.
	        
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