Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

458 $ 90. Die Rechtsanwaltschaft. 
und Löschungen sind von dem Gericht durch den Reichsanzeiger be- 
kannt zu machen. 
II. Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte. 
1. Befugnis zum Gewerbebetrieb. Es sind in dieser 
Beziehung drei Kategorien von Rechtssachen zu unterscheiden: 
a) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist (Zivilprozeß- 
ordnung $ 78; im sogenannten Anwaltsprozeß), kann nur 
einbei dem Prozeßgerichte zugelassener Rechtsanwalt die 
Vertretung als Prozeßbevollmächtigter übernehmen; 
jedoch ist jeder Rechtsanwalt befugt, in der mündlichen Verhandlung 
die Ausführung der Parteirechte und falls ihm der bei dem Prozeß- 
gericht zum Prozeßbevollmächtigien bestellte Rechtsanwalt die Ver- 
tretung überträgt, auch diese zu übernehmen '). 
b) In denjenigen Sachen, auf welche die Straf- und Zivilprozeß- 
ordnung und die Konkursordnung Anwendung finden, ist jeder Rechts- 
anwalt auf Grund der Zulassung bei einem Gericht befugt, vor jedem 
Gerichtinnerhalb des Reichs Verteidigungen zu führen, als 
Beistand aufzutreten, und soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht 
geboten ist (vor den Amtsgerichten), die Vertretung zu übernehmen’). 
Durch diese Bestimmung sind demnach die territorialen Grenzen der 
Justizhoheit beseitigt; soweit im ganzen Reich ein einheitliches Ver- 
fahren, eine einheitliche Gerichtsverfassung und eine gemeinverbind- 
liche Rechtskraft der gerichtlichen Urteile besteht, so weit wirkt auch 
die von einem Staate erteilte Zulassung als Rechtsanwalt auf das ganze 
Bundesgebiet. Die sogenannte Lokalisierung der Rechtsanwälte schließt 
nicht den Gewerbebetrieb derselben im ganzen Bundesgebiet aus; sie 
wirkt nur hinsichtlich der Vertretung im Anwaltsprozeß °). 
c) In denjenigen Sachen, in welchen die drei Reichsprozeßgesetze 
nicht zur Anwendung kommen, gleichviel, ob sie vor den ordentlichen 
oder vor besonderen Gerichten verhandelt werden, bestimmt sich die 
Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausschließlich nach den 
Vorschriften der Landesgesetze. Die Autonomie, welche den Einzel- 
staaten hinsichtlich der nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbar- 
keit gehörenden Sachen verblieben ist, erstreckt sich konsequenterweise 
auch auf die Rechtsanwaltschaft. Jedoch werden in den Gewerbe- und 
1) Rechtsanwaltsordnung $ 27. Nur die bei dem Reichsgericht zugelassenen 
Rechtsanwälte dürfen bei keinem anderen Gerichte auftreten und von einem bei dem 
Reichsgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt nicht vertreten werden. Rechtsanwalts- 
ordnung $ 100, Abs. 2; $ 101. 
2) Rechtsanwaltsordnung $ 26. Ausgenommen die Rechtsanwälte am Reichs- 
gericht. 
3) Nur hat die Partei keinen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten, welche 
durch die Zuziehung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichts wohnhaften Anwaltes 
entstehen. Rechtsanwaltsordnung $ 18, Abs. 5. Vgl. Zivilprozeßordnung $ 91, Abs. 2. 
(Fassung vom 1. Juni 1909.) 
 
	        
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