$ 90. Die Rechtsanwaltschaft. 461
lungen ab'); sie kann die Geschäftsordnung für sich und den Vorstand
feststellen?) und den Mitgliedern Beiträge zur Bestreitung des für die
gemeinschaftlichen Angelegenheiten erforderlichen Aufwandes aufer-
legen). Die Kammer hat ihren Sitz am Orte des Oberlandesgerichts *)
und der Präsident des letzteren hat die Aufsicht über den Geschäfts-
betrieb des Vorstandes zu führen und über Beschwerden, welche den-
selben betreffen, zu entscheiden’).
Der Vorstand hat die Disziplinarstrafgewalt über die Mitglieder zu
handhaben, auf Antrag Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer
oder zwischen einem Mitgliede und dessen Auftraggeber zu vermitteln,
Gutachten auf Erfordern der Landesjustizverwaltung oder der Gerichte
zu erstatten und das Vermögen der Kammer zu verwalten). Sowohl
der Vorstand als auch die Kammer sind berechtigt, Vorstellungen und
Anträge, welche das Interesse der Rechtspflege oder der Rechtsanwalt-
schaft betreffen, an die Landesjustizverwaltung zu richten’). Der An-
waltskammer bei dem Reichsgericht steht dieselbe Befugnis gegenüber
dem Reichskanzler zu?). Die Geschäfte des Vorstandes werden unent-
geltlich geführt®); die Wahl zum Mitgliede darf nur derjenige ablehnen,
der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und wer die letzten vier Jahre
Mitglied des Vorstandes gewesen ist, für die nächsten vier Jahre'°).
Der Vorsitzende hat jährlich der Landesjustizverwaltung und dem
Oberlandesgericht einen schriftlichen Bericht über die Tätigkeit der
Kammer und des Vorstandes zu erstatten !!).
IV. Disziplinarstrafgewalt.
Die Rechtsanwälte sind in Hinsicht auf die Verletzung der ihnen
obliegenden Berufspflichten einer Disziplinargewalt unterworfen, welche
sich in ihrem Begriff und Wesen von der Disziplinargewalt über Be-
amte in nichts unterscheidet. Die Handhabung derselben ist den Vor-
ständen der Anwaltskammern übertragen, wie ja auch bei anderen
Gewerbetreibenden die Innungsvorstände eine, bisweilen weitreichende
Disziplinargewalt haben; nur ist freilich bei der Ausübung der Diszi-
plinargewalt über Rechtsanwälte der Staat in höherem Grade inter-
essiert als bei anderen Gewerben. Durch das Reichsgesetz ist daher
nicht nur die Handhabung der Disziplinargewalt über die Rechts-
anwälte bis in das einzelne geregelt, sondern es ist auch eine Mitwir-
kung der Staatsbehörden (Gerichte und Staatsanwaltschaft) gewährt und
1) Ebendaselbst 88 52 ff. 2) 8 48, Ziff. 1. 3) 8 48, Ziff. 2.
4) $ 41, Abs. 2. Wird eine zweite Kammer errichtet, so bestimmt die Landes-
justizverwaltung ihren Sitz.
5) 8 59. Das Oberlandesgericht (nicht der Präsident) kann gesetzwidrige Be-
schlüsse oder Wahlen der Kammer oder des Vorstandes aufheben. — Für die Rechts-
anwälte am Reichsgericht tritt das letztere an die Stelle des Oberlandesgerichts. $ 98.
6) A.a. 0.8 49. 7) A. a.0.8 50. 8) Ebendaselbst $ 98.
9) Ebendaselbst $ 5l. 10) Ebendaselbst $ 45.
11) Ebendaselbst $ 61. Hinsichtlich des Reichsgerichts vgl. $ 98.