8 91. Der Gerichtsdienst. 469
Die rechtliche Bedeutung dieses Verbotes ist dieselbe, wie sie unter
b) dargetan worden ist.
d) In Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse sind befugt, die
Berufung zum Amte eines Schöffen oder Geschworenen abzuleh-
nen: Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung; Aerzte;
Apotheker, welche keine Gehilfen haben; Personen, welche das
65. Lebensjahr vollendet haben; Personen, welche glaubhaft machen,
daß sie den mit der Ausübung des Amts verbundenen Aufwand zu
tragen nicht vermögen, sowie Personen, welche im letzten Geschäfts-
jahre die Verpflichtung eines Geschworenen oder an wenigstens 5
Sitzungstagen die Verpflichtung eines Schöffen erfüllt haben!). Die
Einzelstaaten sind nicht befugt, anderen als den hier aufgeführten
Klassen von Personen die gleiche Berechtigung einzuräumen’).
Hinsichtlich dieser Personen besteht weder ein prozeßrechtliches
Verbot ihrer Mitwirkung an der Urteilsfindung, noch ein verwaltungs-
rechtliches Verbot ihrer Einberufung; sie genießen eine Befreiung von
der Gerichtspflicht, die lediglich auf einer Berücksichtigung
ihrer persönlichen Verhältnisse beruht, deren Geltendmachung daher
auch von ihrem Belieben abhängt.
e) Behufs Geltendmachung der gerichtlichen Dienstpflicht wird in
ähnlicher Weise wie bei der Wehrpflicht von dem Vorsteher einer
jeden Gemeinde alljährlich ein Verzeichnis aller in der Gemeinde
wohnhaften Personen angefertigt, welche zu dem Amte eines Schöffen
oder Geschworenen berufen werden können. Der Gemeindevorsteher
sendet diese Urliste, nachdem sie in der Gemeinde eine Woche lang
zu jedermanns Einsicht ausgelegt worden ist, nebst den erhobenen
Einsprachen an den Amtsrichter des Bezirks®). Zur Auswahl der Per-
sonen, welche als Schöffen oder Geschworene einzuberufen sind (Dienst-
listen), tritt bei dem Amtsgericht alljährlich ein Ausschuß zusammen,
der aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden, einem Staatsverwaltungs-
beamten, den die Landesregierung ernennt, und sieben aus den Ein-
wohnern des Amtsgerichtsbezirks gewählten Vertrauensmännern be-
steht‘). Der Ausschuß wählt aus der berichtigten Urliste die von der
Landesjustizverwaltung bestimmte Zahl von Hauptschöffen und Hilfs-
schöffen für das nächste Geschäftsjahr (Jahreslisten). Die Reihenfolge,
27; Rudolstadt $ 15, 23; Waldeck Art.4; Reußä. L. S 16, 24; Reußj. L.
8 16, 24; Bremen S 74, 81. — Ueber die Bedenken, zu welchen einige dieser Aus-
führungsgesetze, namentlich das hessische, hinsichtlich ihres Verhältnisses zu $ 34
des Gerichtsverfassungsgesetzes Anlaß geben, vgl. Seuffert S.44ff., woselbst eine
übersichtliche Darstellung der Entstehungsgeschichte des $ 34 sich findet.
1) Gerichtsverfassungsgesetz $ 35, 85, Abs. 2.
2) Daher können sie z. B. auch den Häuptern und Angehörigen der ehemals
reichsständischen oder reichsritterschattlichen Familien Befreiung von der Pflicht zum
Schöffen- oder Geschworenendienst nicht gewähren.
3) Gerichtsverfassungsgesetz 8 36 ff., 85 Abs. 1.
4) Die Wahl der Vertrauensmänner erfolgt nach Anordnung der Landesgesetze.