Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 91. Der Gerichtsdienst. 479 
Einzelstaaten hinausgehen dürfen!) und über die sie zum Teil hinaus- 
gegangen sind. Hiernach fehlt es an allen reellen und praktisch 
wirksamen Garantien dafür, daß die Vorbildung der richterlichen 
Beamten in den verschiedenen Bundesstaaten eine übereinstimmende 
und das von ihnen erforderte Maß von Kenntnissen das gleiche ist, 
und demgemäß konnte das Reich auch keinen Zwang dahin ausüben, 
daß die in einen Bundesstaate bestandene Prüfung oder verwendete 
Vorbereitungszeit von allen anderen Bundesstaaten anerkannt werde. 
Nur fakultativ ist den Bundesstaaten die Befugnis gewährt, denjenigen, 
der in einem anderen Bundesstaate die erste Prüfung bestanden hat, 
zur Vorbereitung für den Justizdienst und zur zweiten Prüfung zuzu- 
lassen, ferner die in einem anderen Bundesstaate auf die Vorbereitung 
verwendete Zeit anzurechnen ?) und endlich solchen Personen richter- 
liche Aemter zu übertragen, welche in einem anderen Bundesstaate 
die Fähigkeit zum Richteramte erlangt haben ?). 
Außerdem sind die ordentlichen öffentlichen Lehrer des Rechts an 
den deutschen Universitäten reichsgesetzlich als zum Richteramte be- 
fähigt erklärt worden *). 
Die vom Reich vorgeschriebenen Erfordernisse, um die Fähigkeit 
zum Richteramt zu erlangen, sind aber für die Einzelstaaten nur dann 
obligatorisch, wenn es sich um die dauernde Verleihung eines wirk- 
lichen Richteramtes handelt, nicht um die zeitweilige Wahr- 
nehmung richterlicher Geschäfte. 
In diesem Punkie hat das Gerichtsverfassungsgesetz die landes- 
gesetzlichen Bestimmungen »unberührt« gelassen 5); der Autonomie der 
Einzelstaaten ist es daher anheimgegeben, zu bestimmen, daß Personen, 
denen die reichsgesetzlich erforderte Fähigkeit zur Bekleidung eines 
Richteramtes fehlt, dennoch fähig sind, die mit einem Richteramte ver- 
bundenen Geschäfte »zeitweilige wahrzunehmen. Indes ist hier eine 
Unterscheidung zu machen. Die zeitweilige Wahrnehmung richter- 
licher Geschäfte kann entweder einzelne richterliche Handlungen, 
z. B. Vernehmungen von Zeugen, Aufnahme von Erklärungen, Ver- 
eidigungen usw. oder den gesamten zu einem richterlichen Amte 
gehörenden Geschäftskreis betreffen®. Hinsichtlich des Erlasses von 
Vorschriften über die Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte an 
Personen, denen die Fähigkeit zum Richteramt mangelt, sind die Einzel- 
1) Gerichtsverfassungsgesetz a. a. O. 2) Ebendaselbst 8 3. 
3) Ebendaselbst $ 5. Diese Bestimmung erstreckt sich auch auf diejenigen Per- 
sonen, welche in einem Bundesstaate vor dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungs- 
gesetzes die Fähigkeit zum Richteramt erworben haben, selbst wenn die Erforder- 
nisse der früheren Gesetze unter dem vom Gerichtsverfassungsgesetz aufgestellten 
Minimum zurückgeblieben waren. 
4) Ebendaselbst 8 4. 
5) Ebendaselbst 8 10. 
6) Vgl. auch Protokoll der Reichstagskommission II. Lesung, S. 648 ff. (Hahn 
S. 809).
	        
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