Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

46 8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
des eingeschränkt durch den Grundsatz: »Wo eine selbständige Landes- 
post- resp. Telegraphenverwaltung nicht besteht, entscheiden die Be- 
stimmungen der besonderen Verträge« (Art. 50, Abs. 6). Wahrhaft 
»selbständige« Verwaltungen gibt es nun außer in Bayern und Würt- 
temberg in keinem deutschen Staate; es kann überall nur Reste 
einer ehemals selbständigen Verwaltung geben. Würde man aus der 
angeführten Bestimmung die Folgerung herleiten wollen, daß die Fort- 
dauer selbständiger Landesposten und Landestelegraphenanstalten von 
der Reichsverfassung als zulässig vorausgesetzt und anerkannt sei, so 
würde man dieselbe in unlösbaren Widerspruch mit allen anderen Be- 
stimmungen des VIII. Abschnitles der Reichsverfassung bringen. Durch 
den Schlußsatz des Art. 530 soll vielmehr nur gesagt werden, daß keinem 
Staate Rechte hinsichtlich der Post- und Telegraphenverwaltung durch 
die Bestimmungen der Verfassung beigelegt werden, die er nicht 
bei Gründung des Norddeutschen Bundes resp. Deutschen Reiches be- 
sessen hat. Soweit ein Staat schon vorher sich der Verwaltung 
des Post- und Telegraphenwesens begeben hatte, sollte er nicht in Ver- 
waltungsbefugnisse wieder eingesetzt werden. Ebenso ist es keinem 
Staate verwehrt, auf die nach der Verfassung ihm verbliebenen Be- 
fugnisse vertragsmäßig zu verzichten. Infolge dieses Grundsatzes sind 
die Verwaltungsbefugnisse des Reiches tatsächlich bei weitem umfassen- 
der, als es nach dem Wortlaut der Reichsverfassung scheint, und die 
den einzelnen Staaten im Art. 50 zugestandenen Ernennungsrechte von 
Post- und Telegraphenbeamten bestehen nur in sehr beschränktem 
Umfange. Der gegenwärtige Rechtszustand ist folgender: 
a)JIn Elsaß-Lothringen ist die Unterscheidung der Verwal- 
tungskompetenz des Reiches und der Einzelstaaten hinsichtlich des 
Post- und Telegraphenwesens gegenstandslos, da im Reichsland eine 
von der Reichsgewalt verschiedene, selbständige Staatsgewalt nicht be- 
steht; die gesamte Post- und Telegraphenverwaltung ist daher im 
Reichslande ungeteilt und unbeschränkt Reichsangelegenheit. Daran 
ist auch durch das Verfassungsges. vom 31. Mai 1911 nichts geändert 
worden. Vgl. Bd. II, S. 241. 
b) In den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck 
bestanden vor Errichtung des Norddeutschen Bundes höchst anomale 
Posteinrichtungen, indem daselbst neben den eigenen Postanstalten 
dieser Staaten noch mehrere deutsche und ausländische Postanstalten 
errichtet waren. Der Art. 51 der norddeutschen Bundesverfassung er- 
mächtigte deshalb das Bundespräsidium, »die Verwaltung und den 
Betrieb der verschiedenen dort befindlichen staatlichen Post- und Te- 
legraphenanstalten zu vereinigen«'). In Ausführung dieser Be- 
1) Für die finanzielle Uebergangsperiode wurde zugleich dem Bundespräsidium 
die Hälfte der auf die Hansestädte entfallenden Quote zur Disposition gestellt zu 
dem Zwecke, daraus zunächst die Kosten für die Herstellung normaler Posteinrich- 
tungen in den Hansestädten zu bestreiten. Nordd. Bundesverfassung Art. 52, Abs. 5.
	        
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