Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 92. Die Zeugenpflicht. 497 
ist die Strafe noch einmal zu erkennen. Eines Antrags auf Verhängung 
der Strafe bedarf es auch in Zivilprozessen nicht. Ist das Ausbleiben 
des Zeugen genügend entschuldigt, so unterbleibt die Verurteilung in 
Strafe und Kosten; erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so 
werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder auf- 
gehoben'). 
Diese Strafen haben den Charakter der Ordnungsstrafen 
wegen Verletzung der Gehorsamspflicht, gerade sowie dies von der 
Verletzung der Melde- und Gestellungspflicht der Wehrpflichtigen oder 
von der Verletzung der Gerichtspflicht der Schöffen und Geschworenen 
gilt. Das unentschuldigte Ausbleiben eines ordnungsmäßig geladenen 
Zeugen bildet nicht den Tatbestand eines Delikts im Sinne des öffent- 
lichen Strafrechts, sondern einen Ungehorsamsfall gegen einen staat- 
lichen Spezialbefehl, und die Strafe hat demgemäß nicht den Charakter 
einer öffentlichen Strafe, sondern eines Mittels, um die gehörige Er- 
füllung der Gehorsamspflicht zu sichern?). Die Verurteilung in Strafe 
und Kosten erfolgt daher ohne Einleitung eines besonderen Strafver- 
fahrens durch dasjenige Gericht, vor welches der Zeuge geladen war 
(Prozeßgericht, auch die Zivilkammern, Untersuchungsrichter, requi- 
rierter Richter), als Inzidentpunkt des Prozesses, in welchem die Ladung 
erfolgt ist). Nur gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine 
angehörende Militärperson erfolgt die Festsetzung und Vollstreckung 
der Strafe auf Ersuchen durch das Militärgericht®). 
b) Der ausgebliebene Zeuge kann zwangsweise vorgeführt 
werden; in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten jedoch nur im Falle wieder- 
holten Ausbleibens. Die Vorführung einer dem aktiven Heere oder der 
aktiven Marine angehörenden Militärperson erfolgt durch Ersuchen der 
Militärbehörde°). Die zwangsweise Vorführung wird durch die Ver- 
urteilung des Zeugen in Kosten und ÖOrdnungsstrafe nicht ausge- 
schlossen. 
c) Wer, als Zeuge berufen, sein Ausbleiben durch Vorspiegelung 
einer unwahren Tatsache entschuldigt, wird mit Gefängnis bis zu zwei 
Monaten bestraft®). Dies ist ein Öffentliches Delikt, auf welches die 
Vorschriften des Strafgesetzbuches und der Strafprozeßordnung unein- 
geschränkt Anwendung finden; es handelt sich hierbei nicht um 
Sicherung oder Erzwingung des Gehorsams, sondern um Bestrafung 
eines Vergehens; daher werden auch durch diese Bestrafung die auf 
1) Strafprozeßordnung 8 50, Abs. 1 u. 2; Militärstrafgerichtsordnung $ 186; 
Zivilprozeßordnung 88 380, 381, 390. 
2) Geyera.a. 0. Militärstrafgerichtsordnung 8& 202. 
3) Vgl. z. B. Zivilprozeßordnung $ 400. 
4) Dem Militärgericht steht nicht bloß die Ausmessung und Vollstreckung der 
Strafe, sondern auch die Entscheidung über die Strafbarkeit zu. Siehe Voitus, 
Kontroversen I, S. 20 ff. 
5) Strafprozeßordnung 8 50; Zivilprozeßordnung 8 380, Abs. 4; 390, Abs. 4. 
6) Strafgesetzbuch Art. 138. Abs. 1.
	        
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