8 92. Die Zeugenpflicht. 499
sich beziehenden Handlungen, welche von ihm selbst als Rechtsvor-
gänger oder Vertreter einer Partei vorgenommen sein sollen!).
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten kann andererseits die Auskunft
verweigert werden auf Fragen, welche der Zeuge nicht würde beant-
worten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren ;
oder deren Beantwortung ihm oder einem seiner Angehörigen zur
Unehre gereichen oder die Gefahr strafrechtlicher Verfolgungen zu-
ziehen würde; endlich deren Beantwortung ihm oder einem seiner
Angehörigen einen unmittelbaren Vermögensschaden verursachen würde,
jedoch auch hier mit Ausschluß der im 8 385 der Zivilprozeßordnung
aufgeführten Fälle?). Es ist diese Beschränkung der Zeugenpflicht
schon durch die praktische Erwägung geboten, daß sonst ein Prozeß
zu dem Zwecke aufgestellt werden könnte, um von jemandem eine
Zeugenaussage zu seinem eigenen Nachteil zu erzwingen; sie ist aber
auch, abgesehen hiervon, berechtigt, da der Staat seinen Untertanen
und Schutzgenossen keine Pflicht auferlegen soll, welche dieselben
nötigen könnte, sich selbst oder ihre Angehörigen zu verraten, zu
beschädigen oder zu entehren. Dessenungeachtet ist im Strafprozeß
dieses Prinzip nur in sehr unvollkommener Weise und in sehr engen
Grenzen anerkannt worden, indem der Gesetzgeber von der Annahme
ausgeht, daß im strafprozessualischen Verfahren ein Mißbrauch des
Zeugniszwanges zu anderen Zwecken als den durch die Strafrechts-
pflege gebotenen nicht zu befürchten sei und daß das staatliche Interesse
an der Strafrechtspflege dem Privatinteresse vorgehe. Demnach ist ein
Zeuge nur berechtigt, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern,
deren Beantwortung ihm selbst oder einem seiner Angehörigen die
Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde°).
b) Im fremden Interesse. Zur Verweigerung des Zeugnisses
sind berechtigt: Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei
der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist, und alle anderen Personen,
welchen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anver-
traut sind, deren Geheimhaltung durch die Natur derselben oder durch
gesetzliche Vorschrift geboten ist, in betreff der Tatsachen, auf welche
die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht*). Hierher gehört
auch die Pflicht zur Bewahrung des Dienstgeheimnisses seitens der
Beamten; die Wirkung dieser Pflicht reicht aber weiter, indem die
Beamten zur Verweigerung des Zeugnisses nicht bloß berechtigt, son-
dern dienstlich verpflichtet sind. Der Richter soll in den angegebenen
Fällen die Verpflichtung zur Verschwiegenheit auch dann berücksich-
tigen, wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, indem er die Verneh-
mung der Zeugen auf solche Tatsachen nicht zu richten hat, in An-
1) Zivilprozeßordnung $ 385, Ziff. 1—4. 2) Zivilprozeßordnung $ 384.
3) Strafprozeßordnung $ 54. Vgl. hierzu die Bemerkungen von Löwe.
4) Zivilprozeßordnung 8 383, Abs. 1, Ziff. 4, 5. Vgl. hierzu das Erkenntnis des
Reichsgerichts in den Entsch. in Zivilsachen Bd. 33, S. 362 ff.