504 $ 983. Das Begnadigungsrecht.
dem Strafverfahren und dem Zivilprozeß hinsichtlich der Zeugenpflicht
bestehen, gelten daher auch für die Pflicht, als Sachverständiger zu
fungieren. Allein praktisch ist dies von geringer Bedeutung; denn das
Gericht ist befugt, »auch aus anderen Gründen, d. h. nach freiem Er-
messen einen Sachverständigen von der Verpflichtung zur Erstattung
des Gutachtens zu entbinden, und da nach der Natur der Sache die
Fähigkeit zur Begutachtung nicht wie die zur Zeugenaussage auf eine
oder einige individuell bestimmte, unvertretbare Personen beschränkt
ist, sondern den Behörden und Parteien fast immer die Auswahl unter
einer größeren Zahl von Sachverständigen freisteht, so kann man trotz
der formellen Anerkennung der gesetzlichen Begutachtungspflicht an-
nehmen, daß in der Regel niemand gegen seinen begründeten Wider-
spruch zur Abgabe gerichtlicher Gutachten angehalten wird. Dem ent-
spricht es, daß ein Zwang zur Abgabe des Gutachtens durch Vorfüh-
rung oder durch Haft nicht ausgeübt werden darf. Ist ein zur
Erstattung des Gutachtens (freiwillig oder gesetzlich) verpflichteter Sach-
verständiger gegen den Befehl des Gerichts ungehorsam, indem er auf
Vorladung nicht erscheint, oder indem er sich weigert, das Gutachten
zu erteilen oder den erforderlichen Eid zu leisten, so ist er zum Er-
satz der dadurch verursachten Kosten und in eine Ordnungsstrafe bis
zu 300 Mark zu verurteilen, die im Falle wiederholten Ungehorsams
noch einmal und zwar bis zu 600 Mark verhängt werden kann!'). Die
Substituierung einer Freiheitsstrafe im Unvermögensfall ist unzulässig.
Der Sachverständige hat nicht nur auf Entschädigung für Zeitversäum-
nis und auf Erstattung der ihm verursachten Kosten, sondern außer-
dem auf angemessene Vergütung für seine Mühewaltung Anspruch ?).
8 95. Das Begnadigungsrecht *).
I. Die staatsrechtliche Natur.
Die Begnadigung ist ein Eingriff der Staatsgewalt in die Rechts-
pflege zugunsten eines Verurteilten oder eines der Strafverfolgung
Sachverständigen zu vernehmen, wenn die vorgesetzte Behörde des Beamten erklärt,
daß die Vernehmung den dienstlichen Interessen Nachteile bereiten würde.
1) Strafprozeßordnung $ 77. Militärstrafgerichtsordnung $ 213. Zivilprozeßord-
nung $ 409. Gegen Militärpersonen im aktiven Dienst erfolgt die Festsetzung und
die Vollstreckung der Strafe auf Ersuchen durch die Militärgerichte.
2) Strafprozeßordnung 8 84. Militärstrafgerichtsordnung 8 208, Abs. 2. Zivil-
prozeßordnung $ 413. Verordnung über die Einrichtung des Patentamts vom 18. Juni
1877, $ 12 (Reichsgesetzbl. S. 536). Gebührenordnung $$ 3, 4, 13, 14 Ziff. 2, 15.
*, Heinze in Holtzendorffs Handbuch des Strafrechts II, S. 629 ff.; Meves
in Holtzendorffs Handbuch des Strafprozeßrechts II, S. 493 ffl.; Loeb, Das Begna-
digungsrecht (Gielsener Dissertation), Worms 1881; Binding, Handbuch des Straf-
rechts I, S. 860 ff. und Grundriß, 5. Aufl. I, $ 110; John, Strafprozeßordnung I,
S. 108 ff.; H. Meyer, Deutsches Strafrecht $ 46 (4. Aufl., 1888); Elsaß, Das Be-
gnadigungsrecht (Straßburger Dissertation), Mannheim 1888; Merkel; Strafrecht