512 8 98. Das Begnadigungsrecht.
pflicht der Staatsanwaltschaft gestützt'!); andererseits daraus hergeleitet,
daß für das Begnadigungsrecht des Reichs die Abolition nicht an-
erkannt worden sei?) Allein daraus, daß die Abolition für das Reich
nicht eingeführt worden ist, kann man nicht den Schluß ziehen,
daß sie in den Einzelstaaten abgeschafft worden sei. Aus $ 152
cit. aber folgt nur, daß die staatsanwaltschaftlichen Be-
hörden das Akolitionsrecht nicht haben, und 8 16 des Gerichtsver-
fassungsgesetzes bezieht sich nicht auf das Gnadenrecht, sondern ent-
hält das Verbot der Ausnahmegerichte. Auch die Ansicht, daß die
Niederschlagung nach dem das Hauptverfahren eröffnenden Beschluß
ausgeschlossen sei, weil nach der Strafprozeßordnung 8 154 von diesem
Zeitpunkte an die öffentliche Klage von der Staatsanwaltschaft nicht
mehr zurückgenommen werden könne), ist unhaltbar; sie beruht auf
der Charakterisierung des Gnadenaktes als eines Verwaltungsbefehles,
der über die Gerichte keine Macht habe, übersieht aber die wesent-
liche Verschiedenheit, welche zwischen dem Gnadenakte und dem ge-
wöhnlichen Verwaltungsbefehle besteht‘).
Il. Das Begnadigungsrecht des Kaisers.
In der Reichsverfassung ist ein Begnadigungsrecht des Reiches
nicht erwähnt; es besteht daher nur auf Grund spezieller Gesetze
und nur in denjenigen Fällen, für welche solche gesetzliche Anord-
nungen ergangen sind. Alle diese Gesetze erwähnen nur das Begna-
digungsrecht im engeren Sinne, indem sie ein verurteilendes Erkennt-
nis voraussetzen; die Abolition existiert sonach in Reichssachen nicht’).
Das Begnadigungsrecht wird durch den Kaiser ausgeübt. Da
jeder Begnadigungsakt zweifellos eine Regierungshandlung ist, so fin-
det Art. 17 der Reichsverfassung (Gegenzeichnung und Verantwortlich-
keit des Reichskanzlers) darauf Anwendung.
Ein konkurrierendes Begnadigungsrecht des Kaisers und der Lan-
‚desherren besteht in keinem Falle; wo der Kaiser das Gnadenrecht
hat, ist es den Einzelstaaten entzogen.
Die Fälle, in welchen das Begnadigungsrecht dem Kaiser zusteht,
sind folgende:
1. Hinsichtlich der Strafurteile der Marinekriegsgerichte
und Bordstandgerichte.
1) Jastrow, Gerichtssaal Bd. 34, S.533 ff.; Löb S.18. Siehe dagegen Heim-
berger S. 21ff.
2) John, Strafprozeßordnung IT, S. 108 fg.; Beling, Strafprozeßrecht S. 610
und die dort Zitierten. 3) Elsaß S. 87 ff.
4) v. Kries, Strafprozeßrecht S. 105 erkennt an, daß das Abolitionsrecht der
Landesherren durch die Strafprozeßordnung nicht beseitigt sei, beschränkt aber die
Fortdauer desselben auf die durch Landesgesetz bedrohten Handlungen. Dies
ist ein Rückfall in die Auffassung der Begnadigung als lex spezialis; auch müßte,
‘was vom Abolitionsrecht gilt, vom Begnadigungsrecht überhaupt gelten.
5) Vgl. HeimbergerS. 82ffl.; Fleischmann S. 53.