Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 51 
gesagt werden, daß der Staat durch den Betrieb der Post und Tele- 
graphie den aus seinem Begriff sich ergebenden Kreis von Aufgaben 
überschreite. Der Staat hat die Pflege der Wohlfahrt des Volkes zur 
wesentlichen Aufgabe; wenn es demnach zur Erreichung dieser Auf- 
gabe geboten erscheint, Anstalten für den Verkehr von Staats wegen 
zu errichten, so handelt der Staat durch Erfüllung dies Gebots inner- 
halb seiner begriffsmäßigen Zwecke. Es verhält sich damit ganz ähn- 
lich wie mit dem Betriebe von Eisenbahnen, von Bankgeschäften, von 
Versicherungs- und Versorgungs- (Pensions-) Anstalten durch den Staat. 
Der Staat hält die Post- und Telegraphenanstalten nicht ausschließlich 
im fiskalischen Finanzinteresse; es sind vielmehr zugleich öffentliche 
Interessen, welche er dabei verfolgt; er befriedigt ein unabweisbares Be- 
dürfnis sowohl des Staates selbst, als der einzelnen Angehörigen des- 
selben. Man muß sich aber wohl hüten, aus dieser zweifellosen und 
unbestrittenen Tatsache falsche Folgerungen herzuleiten. Es ist zwar 
richtig, daß der Staat ohne Postanstalt in der Gegenwart nicht be- 
stehen, seine wesentlichen Aufgaben nicht erfüllen könnte, daß er da- 
her eine ebenso dringende und unerläßliche Pflicht hat, für die Existenz 
einer leistungsfähigen Posteinrichtung, wie für die Rechtspflege und 
Landesverteidigung zu sorgen. Daraus folgt aber keineswegs, daß der 
Staat selbst die Post und Telegraphie in eigenem Betriebe ha- 
ben müsse; es ist vielmehr auch die Möglichkeit gegeben, daß der 
Staat kraft seiner Gesetzgebung und Beaufsichtigung für die Wahrung 
aller öffentlichen Interessen in ausreichender Weise sorgt, ohne den 
Betrieb der Post selbst zu übernehmen. In einem großen Teile Deutsch- 
lands hatte bis zum Jahre 1866 der Fürst von Thurn und Taxis, ein 
Privatmann, den Betrieb der Post; in einigen kleineren Staaten war 
der Betrieb einem Nachbarstaat übertragen. In derselben Weise 
hätten auch andere Betriebsunternehmer für die Verwaltung der Post 
Sorge tragen können; es verhält sich mit der Post nicht anders wie 
mit den Eisenbahnen und Dampfschiffen und ähnlich wie mit den 
Banken und Versicherungsanstalten. Die »Verstaatlichung« der Post 
ist nur eine der möglichen Formen, in denen das öffentliche Inter- 
esse, welches gebieterisch den Betrieb der Post verlangt, befriedigt 
werden kann. Die Gründe, welche für diese Form in das Gewicht 
fallen, mögen so schwerwiegend sein, daß vernünftigerweise dadurch 
alle anderen an sich möglichen Formen ausgeschlossen werden ; 
immerhin sind diese Gründe nicht aus der rechtlichen Natur der 
durch den Betrieb der Post ausgeübten Funktionen hergeleitet, sondern 
nur Zweckmäßigkeitsgründe, politische, militärische, finan- 
zielle und volkswirtschaftliche Erwägungen. Während der Staat durch 
Ausübung der Militär-, Gerichts-, Polizei- und Finanzhoheit seine An- 
gehörigen beherrscht, dient er ihnen durch den Betrieb der Post 
und Telegraphie; er übt gegen sie keinen Zwang aus; er fordert keine 
Leistungen und Unterlassungen; er tritt mit den einzelnen Staatsunter-
	        
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